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Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

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Mit Blick auf die Ferne sich selbst zu widerfahren 151<br />

men. Aus heutiger Sicht scheint es eher eine Unmöglichkeit als ein Desinteresse<br />

gewesen zu sein. Es ist auch kein Zufall, dass SchriftstellerInnen, die sich hierzu zu<br />

Wort gemeldet haben, zu den namhaftesten <strong>und</strong> meist gelesenen der polnischen<br />

<strong>Literatur</strong>szene zählen <strong>und</strong> auch international erfolgreich wurden. Im Folgenden<br />

werden am Beispiel dreier ausgewählter Schriftsteller drei literarische Stimmen<br />

präsentiert, die auf unterschiedlichste Art <strong>und</strong> Weise einen Beitrag zum deutschpolnischen<br />

Diskurs geleistet haben.<br />

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Der 1957 geborene Paweł Huelle lebt in Gdańsk (Danzig) <strong>und</strong> schreibt über seine<br />

Heimatstadt. Dass Danzig ein besonderer Schauplatz der deutsch-polnischen Begegnungen<br />

war <strong>und</strong> damit zu einem der wichtigsten gemeinsamen Erinnerungsstätte<br />

avancierte, ist eine aus der Geschichte resultierende Gegebenheit. Dass aus der<br />

besonderen Konstellation sich auch eine literarisch prägnante Rolle Danzigs ergab,<br />

steht seit Günter Grass’ Danziger Trilogie, Stefan Chwins „Hanemann“ 1 <strong>und</strong> eben<br />

seit der literarischen Emanzipierung Paweł Huelles fest. Was die drei Literaten <strong>und</strong><br />

ihr Schaffen verbindet, ist das deutsch-polnische Beisammensein, das den Danziger<br />

Raum konstituiert hat, seine Inter-, gar Multikulturalität, wie sie zu der Atmosphäre<br />

einer Hafenstadt dazugehört, die Weite des Meeres <strong>und</strong> schließlich das aus<br />

dem Krieg resultierende Verlustgefühl sowie die Schwermut <strong>und</strong> Sehnsucht nach<br />

all dem, was im engeren <strong>und</strong> weiteren Sinne zertrümmert worden ist.<br />

Danzig <strong>und</strong> seine Gegend sind zum Symbol eines von der Geschichte belasteten<br />

Ortes gewachsen, man denke nur an Westerplatte, die Polnische Post oder an<br />

die Gustloff. Huelle jedoch zeichnet in seinen Werken keine der historisch relevanten<br />

Momente nach. Er zeigt „den Fall Danzig“ vielmehr en miniature, durch das<br />

familiäre Leben seiner Einwohner, <strong>und</strong> entwickelt erst im Nachhinein ein breites<br />

gesellschaftliches Spektrum der literarischen Wahrnehmung. Die Perspektive seiner<br />

Erzähler ist meistens die eines Kindes, das die Welt der Erwachsenen zu durchdringen<br />

versucht, eines Menschen, der seine Beobachtungen in der Nachkriegszeit<br />

macht, um sie mit den Aussagen der früheren Generationen zu konfrontieren.<br />

Seine Erfassungen werden zusätzlich entscheidend von dem Bild der im Krieg<br />

zerstörten Stadt geprägt. Die städtischen Räumlichkeiten werden als Informationsquelle,<br />

Zeuge <strong>und</strong> Bebilderung des Erzählens herbeigerufen. Dabei bewegt sich das<br />

Geschehen selbst (zumindest auf den ersten Blick) in einem eher privaten Umfeld.<br />

So wird in der Novelle „Tisch“ (vgl. Huelle 2007) auf knapp 25 Seiten tatsächlich<br />

die Geschichte eines Möbelstücks beschrieben, das eine nach Gdańsk umgesiedelte<br />

polnische Familie von einem Deutschen erwirbt, der selbst seine Heimatstadt<br />

Danzig verlassen muss <strong>und</strong> in das Nachkriegsdeutschland deportiert wird. An die-<br />

1 Es handelt sich um den ursprünglichen polnischen Titel des Romans von Stefan Chwin.<br />

„Hanemann“ ist in der deutschen Übersetzung 1998 unter dem Titel „Tod in Danzig“ im Rowohlt<br />

Verlag erschienen.

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