26.10.2012 Aufrufe

Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Dichter übersetzen Dichter 241<br />

Am Samstagvormittag werden die für die Lesung bestimmten Gedichte fertig gestellt.<br />

Der Leiter zieht sich zurück, um ein Programm zu erstellen, das die einzelnen<br />

Gäste in den wesentlichen Zügen ihrer poetischen Arbeit vorstellt <strong>und</strong> auch<br />

die Originalität der übersetzenden Dichter spürbar werden lässt. Es soll aber auch<br />

abwechslungsreich genug sein, damit das Publikum in den neunzig Minuten nicht<br />

die Lust am Zuhören verliert. Die Moderation des Philologen <strong>und</strong> die musikalischen<br />

Einsprengsel des Solisten tragen das Ihre dazu bei.<br />

Diese beiden Lesungen sind auch eine Generalprobe für die Anthologie. Der<br />

Leiter macht sich mit den Neigungen der Übersetzer vertraut, er weiß bald, welche<br />

Schwerpunkte er in der Anthologie setzen muss. Diese stellt er am Jahresende<br />

zusammen, dann wirft er noch einmal einen Blick auf das vorhandene Material,<br />

bittet einzelne Nachdichter um Ergänzungen, falls nicht alle ihm wichtig erscheinenden<br />

Gedichte übersetzt sind. Die Anthologie wird auf der Leipziger Buchmesse<br />

ein erstes Mal vorgestellt, eine Lesereise zu einer Reihe von <strong>Literatur</strong>häusern im<br />

Oktober macht sie einem größeren Publikum bekannt.<br />

Die meisten dieser Veranstaltungen sind sehr gut besucht. Mit den Jahren hat<br />

sich ein Publikum in Berlin, München, Tübingen, Rolandseck <strong>und</strong> Brüssel mit<br />

dieser Form der mehrsprachigen Vermittlung von Gedichten vertraut gemacht.<br />

Beliebt ist der direkte Vergleich unterschiedlicher Fassungen, der mit Erstaunen<br />

<strong>und</strong> Vergnügen aufgenommen wird.<br />

Besonderheiten der Ukraine<br />

Kaum ein Vorhaben innerhalb der Reihe hat das Umfeld (befre<strong>und</strong>ete Dichter, die<br />

beteiligten Institutionen) so sehr polarisiert wie dieses. Mitunter hieß es, eine ukrainische<br />

<strong>Literatur</strong> könne es nicht geben, das Ukrainische sei nur ein Dialekt der<br />

russischen <strong>Sprache</strong>. Einige der zum Test angesprochenen <strong>Literatur</strong>kritiker auf der<br />

Buchmesse zeigten sich begeistert. Die Idee kam auf im Jahr 2003, also vor den<br />

Ereignissen der „orangenen Revolution“, anlässlich eines Besuchs von Juri<br />

Andruchowytsch in Heidelberg. Bei einer Reise durch die Bukowina im Frühjahr<br />

2004 erhielt das Vorhaben seine Konturen.<br />

Es waren zahlreiche Besonderheiten zu berücksichtigen. Anders als bei England,<br />

dem Gast im Vorjahr, gab es hier keine übersichtlich organisierten Informationsquellen<br />

im Internet oder in Form einer Anthologie. Die ukrainische Nation<br />

war gerade im Entstehen begriffen. Ich hatte keine Kenntnisse der ukrainischen<br />

<strong>Sprache</strong> <strong>und</strong> konnte somit auf eigene Faust keine Recherchen unternehmen, wie<br />

ich es sonst gewohnt war, denn es existierten kaum Übersetzungen, die für mich<br />

zugänglich gewesen wären.<br />

All diese Probleme waren aber gleichzeitig ein wichtiger Gr<strong>und</strong>, das Vorhaben<br />

zu verwirklichen. Noch nie war die Notwendigkeit des Projekts „Poesie der Nachbarn“<br />

so deutlich gewesen wie hier.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!