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Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

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Matthias Schubert<br />

gehütet sehen wie ein Schmuckkästchen, auf der anderen Seite soll es sich im<br />

Wettbewerb mit anderen, vor allem benachbarten Städten behaupten <strong>und</strong> künstlerisch<br />

höchsten Ansprüchen genügen. Und das Ganze am Besten mit reduzierten<br />

Etats <strong>und</strong> einer Steigerung der Eigeneinnahmen.<br />

III.<br />

Sucht man, um zu unserer Ausgangsfrage zurückzukehren, nach europäischen<br />

Einflüssen im deutschen Sprechtheater, so wird man in vielerlei Hinsicht fündig.<br />

Ich möchte mich auf drei Aspekte konzentrieren, in denen die Dialektik von Verortung<br />

<strong>und</strong> Entgrenzung wirksam wird:<br />

1. Die europäische Theatertradition mit ihrem großen F<strong>und</strong>us an gemeinsamen<br />

Stoffen, Stücken <strong>und</strong> Autoren.<br />

2. Die <strong>Vielfalt</strong> von Zeitstücken, die aktuell auf den Bühnen Deutschlands <strong>und</strong><br />

Europas zirkulieren.<br />

3. Die Vernetzung der Personen <strong>und</strong> Institutionen im Rahmen von Festivals,<br />

Kooperationen <strong>und</strong> Künstlerbegegnungen.<br />

Erstens. Gleichgültig, in welchem europäischen Land sie geboren wurden, welche<br />

kulturellen Prägungen sie erfahren haben: Sie leben – bewusst oder unbewusst –<br />

aus dem Geist der Griechen. Ohne die ungeheure Innovationskraft, die wir der<br />

Antike verdanken, wäre unser Kontinent ein fragmentarisches Gebilde ohne Bindungskraft,<br />

ein Eurozähler ohne gemeinsamen Nenner, ein ökonomisches Spekulationsobjekt.<br />

In diesem Sinne ist die europäische Theatergeschichte, die mit dem<br />

sprichwörtlich gewordenen Thespis-Karren begann, eine Geschichte der Identitätsfindung.<br />

Kein Theater in Europa, das nicht irgendwann die antiken Klassiker,<br />

nicht Shakespeare <strong>und</strong> Moliere, Calderon <strong>und</strong> Tschechow, Ibsen <strong>und</strong> Strindberg in<br />

sich aufgenommen hätte – allen ideologischen Differenzen zum Trotz. (Von den<br />

Dramatikern <strong>deutscher</strong> <strong>Sprache</strong> soll in diesem Kontext nicht die Rede sein; dass<br />

man sie auf den hiesigen Bühnen spielt, versteht sich von selbst.)<br />

Zweitens. Die deutsche Theaterlandschaft öffnet sich dem Thema Europa auf vielfältige<br />

Weise: auf Festivals, in Publikationen, mit Übersetzungsprojekten, Autorentreffen<br />

<strong>und</strong> vielem mehr. Dabei freilich sollte nicht übersehen werden, dass europäische<br />

Autoren nicht erst seit gestern eine bedeutende Rolle im deutschen Theater<br />

spielen. Bereits in den ersten Nachkriegsjahren, in denen sich die Deutschen<br />

moralisch, wirtschaftlich, politisch <strong>und</strong> auch kulturell zu erneuern versuchten, hatten<br />

Dramatiker wie Beckett, Sartre, Camus oder später Bond, Pinter <strong>und</strong> Mrozek<br />

einen beachtlichen Einfluss. Zwar unterliegt die Rezeption europäischer Autoren<br />

gewissen Schwankungen, doch scheint sie gegenwärtig lebendiger denn je. Die<br />

Zahl der deutschsprachigen Erstaufführungen, die alljährlich über die Bühne ge-

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