Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen
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Wie europäisch ist das deutsche Theater? 199<br />
stellten fest, dass sie teilweise sogar aus Münster angereist waren, weil sie mitbekamen,<br />
dass hier etwas gezeigt wurde.“<br />
Experten unter sich. Eine dritte Form der Europäisierung ist der Festivalbetrieb.<br />
Herausragende Produktionen werden herumgereicht <strong>und</strong> von der Fachwelt <strong>und</strong><br />
einem sich aufgeklärt gebenden Eventpublikum bestaunt. Auch wenn sich die<br />
beteiligten Akteure inzwischen gut kennen: Der interkulturelle Mehrwert ist flüchtig<br />
<strong>und</strong> beruht eher auf Zufall. Tobias Philippen <strong>und</strong> Marc Schäfers, die umtriebigen<br />
Leiter eines deutschen Theaterverlages, bringen ihre Skepsis wie folgt auf den<br />
Punkt: „Auf uns wirkt die Auseinandersetzung des deutschsprachigen Theaterbetriebs<br />
mit ausländischem Theater meist eher oberflächlich – hier ein Festival, da<br />
ein Spektakel, dort eine Zeitschriftenausgabe. Und wir können es keinem verdenken,<br />
wenn das Interesse irgendwo anfänglich bleibt. Denn außer Wissenschaftlern,<br />
Übersetzern <strong>und</strong> vielleicht manchen Journalisten vermag kaum jemand, eine ausländische<br />
Theaterszene wirklich im Auge zu behalten. Entweder kann man es sich<br />
leisten, im Festival-Auftrag durch die Welt zu jetten, oder man muss sich gezwungenermaßen<br />
begnügen mit kurzen Einblicken.“<br />
Neue Allianzen. Eine Neuerung, die aufhorchen lässt, hat Karin Beier, Intendantin<br />
des Kölner Schauspiels, zu bieten. Sie möchte näher ran an die Realität <strong>und</strong> das mit<br />
einem multikulturellen Ensemble. „Es geht“, sagt sie, „um einen Spiegel der Gesellschaft“.<br />
Dabei ist sie sich bewusst, dass es mit einem Alibi-Engagement nicht<br />
getan ist. „Wenn ich nur einen Schwarzen oder einen Türken in einem Ensemble<br />
habe“, so Beier, „hat das eine Bedeutung, wenn ich dem Türken eine bestimmte<br />
Rolle gebe. Dann muss ich das dramaturgisch abfedern. Wenn ein Teil des Ensembles<br />
sichtbar aus anderen Kulturen kommt, dann kann man damit irgendwann<br />
mit einer gewissen Selbstverständlichkeit umgehen.“ Karin Beier setzt damit vor<br />
allem auf die sinnliche Wahrnehmung eines multikulturellen Ensembles. Zugleich<br />
möchte sie dies als Identifikationsangebot an ein migrantenstämmiges Publikum<br />
verstanden wissen. „Ich möchte“, so ihr Credo, „ einfach mal ein paar Kopftücher<br />
im Zuschauerraum sehen.“<br />
Anders als gelegentliche Gastspiele schafft ihr Konzept Raum für ein neues,<br />
auf Dauer angelegtes Miteinander zwischen Akteuren <strong>und</strong> Publikum, das eine unmittelbare<br />
Wirkung auf das regionale Geschehen entfalten kann.<br />
Die Beispiele zeigen: Einen Königsweg zu einem „Europa mit einer Seele“ gibt es<br />
im Theater so wenig wie in allen anderen gesellschaftlichen Sphären. Allzumal<br />
bestehen begründete Zweifel, ob das Sprechtheater, das in vielen Ländern eng mit<br />
der Herausbildung eines Konzepts von Nationalkultur verknüpft ist, zur Mittlerrolle<br />
in einem multi-ethnischen <strong>und</strong> grenzenlosen Europa überhaupt taugt. Die Dramaturgische<br />
Gesellschaft (DG) hat ihre vorletzte Tagung in Erlangen unter dem doppeldeutigen<br />
Motto europa erlangen abgehalten. In der Einladung schreiben die Veranstalter:<br />
„Das Theater als Ort gesellschaftlicher <strong>und</strong> kultureller Selbstverständi-