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Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

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Zur Syntax des deutschen Gedichts 99<br />

Umständen (in denen die Flügel vielleicht bereits gestutzt sind) dies die einzig<br />

mögliche Strategie ist, es zu „Früchten“ zu bringen (Bartsch Siekhaus 1983: 164-<br />

166).<br />

Das Sonett von C. R. v. Greiffenberg entspricht dem französischen Typus: Die<br />

zwei Quartette haben den umschlingenden Reim abba abba, die zwei Terzette den<br />

verschränkten Reim cdc dcd. Es werden abwechselnd männliche <strong>und</strong> weibliche<br />

Reime gebraucht.<br />

Mit dem Satzbau tradiert die Dichterin die syntaktischen Erscheinungsformen<br />

der Barockzeit (Sperber 1929). Um die mannigfaltigen Beziehungen in ihren feinsten<br />

Schattierungen widerzuspiegeln, benutzt sie hauptsächlich komplexe Sätze, die<br />

meist nur einen Vers, einen Halbvers füllen; jeder Vers ist selbständig, ohne Enjambements.<br />

Das Gedicht besteht aus insgesamt elf Ganzsätzen, aus neun komplexen<br />

Sätzen mit zwei bis drei Teilsätzen <strong>und</strong> zwei einfachen isoliert gebrauchten<br />

Sätzen im ersten Terzett. Die durchschnittliche Verslänge beträgt 9,1 Wörter.<br />

Trotz des komplexen syntaktischen Baus ist das Sonettarrangement leicht erkennbar.<br />

Das Sonett gliedert sich genau in zwei Vier- <strong>und</strong> zwei Dreizeiler, mit einer<br />

stets übersichtlichen Abfolge der Bilder <strong>und</strong> Argumente mit der Pointe im Schlussterzett.<br />

Zur Gestaltung der beiden Quartette wählt die Dichterin hypotaktische<br />

<strong>und</strong> parataktisch- hypotaktische Verbindungen von einfachen Sätzen. Der eröffnende<br />

Satz, der den thematischen Kern bildet <strong>und</strong> der durch variierte Wort-<br />

Wiederholung den Zusammenhang mit dem Titel herstellt, ist von einer parataktisch-hypotaktischen<br />

Struktur aus drei Teilsätzen gebildet: HS + NS – HS. Von<br />

besonderer Bedeutung ist der erste Hauptsatz, der in Spitzenstellung steht <strong>und</strong> der<br />

die Ausgangsposition gestaltet. Ihm schließt sich der Nebensatz (Subjektsatz) an,<br />

der vom Hauptsatz in der nächsten Strophenzeile abhängig ist. Die Hypotaxe in<br />

folgender Zeile wird von einem Hauptsatz eingeleitet, von dem ein Subjektsatz in<br />

Postposition abhängt <strong>und</strong> der eine Hinzufügung zum Korrelat der im Hauptsatz ist.<br />

Das erste Quartett schließt eine hypotaktische Struktur (NS1 - HS – NS1) aus einem<br />

Nebensatz (Objektsatz), in den der Hauptsatz eingeschoben wird. Im Hauptsatz ist<br />

das Verbum finitum hält auf Gr<strong>und</strong> der Nacherwähntheit eliminiert. Die Ellipse,<br />

die dem Stilideal der Kürze (brevitas) dient, ist aufgr<strong>und</strong> des sprachlichen Ökonomiestrebens<br />

ein häufig verwendetes Stilmittel (Sowinski 1999: 116).<br />

Im zweiten Quartett enthält das Gedicht eine hypotaktische <strong>und</strong> zwei parataktisch-hypotaktische<br />

Strukturen. Auf die zwei ersten Zeilen des Quartetts platziert<br />

die Dichterin eine parataktisch-hypotaktische Verbindung von drei einfachen Sätzen:<br />

HS - NS1 + NS1. Dem Hauptsatz Die Glut / würkt nach dem Ding folgen zwei<br />

gereihte Nebensätze (Attributsätze), die sich als Attribute auf das Substantiv des<br />

übergeordneten Satzes Ding beziehen <strong>und</strong> es näher bestimmen. Die Nebensätze<br />

haben eine ungewöhnliche Wortstellung, die die Vollverben vorgestellt <strong>und</strong> zufügen<br />

verstärkt <strong>und</strong> gleichzeitig eine rhythmische Erscheinung ist. Die dritte Zeile wird<br />

von der Hypotaxe aus einem präpositiven Hauptsatz <strong>und</strong> von dem ihm anhängendem<br />

Temporalsatz mit der Konjunktion eh, die auf das nachzeitige Geschehen im<br />

Nebensatz hinweist, strukturiert. Das zweite Quartett schließt eine parataktisch-

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