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Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

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„Bilder“. Das Problem der definitorischen Unschärfe<br />

Katerina Kroucheva<br />

Bei den Fremdbildern, die in der imagologischen Forschung untersucht werden,<br />

handelt es sich in der Regel um so genannte Stereotype. Wie die meisten spezifischen<br />

Termini, die im Zusammenhang mit imagologischen Betrachtungen gebräuchlich<br />

sind, hat sich auch dieser nicht endgültig durchgesetzt. Am Umgang mit diesem<br />

gebräuchlichsten <strong>und</strong> scheinbar definitorisch gut abgrenzbaren Terminus soll die<br />

Begriffsverwirrung andeutend umrissen werden, die der Imagologie immer wieder<br />

vorgeworfen wird. 3<br />

Der Begriff „Stereotyp“ stammt aus der Druckersprache, er entstand Ende des<br />

18. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> meinte ursprünglich die Druckerplatte. Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

wurde er in verschiedenen europäischen <strong>Sprache</strong>n im pejorativen Sinne einer standardisierten<br />

Äußerung benutzt. In seinem Buch „The Public Opinion“ (1922) gebrauchte<br />

es der amerikanische Journalist Walter Lippmann erstmals metaphorisch<br />

zur Bezeichnung von kulturell vorgeprägten, vereinfachenden, wertenden „pictures<br />

in our heads“.<br />

Um die Begriffsverwirrung zu umgehen, die in der Folgezeit die Verwendung<br />

des Terminus stets begleitet hat, 4 wurde seitens der Sozialpsychologie der Vorschlag<br />

gemacht, den Unterschied zwischen „Vorurteil“ <strong>und</strong> „Stereotyp“ zu verdeutlichen,<br />

indem „Stereotyp“ auf eine kognitive Kategorie bezogen wird, also im<br />

Zusammenhang mit Phänomenen benutzt wird, die im Bereich des Rationalen<br />

angesiedelt sind, „Vorurteil“ hingegen auf eine affektive Kategorie, also bezogen<br />

auf Phänomene, die dem Emotionalen zuzuordnen sind.<br />

Stereotype beruhen, so die Definition von Ruth Florack, auf kollektiven<br />

Wahrnehmungsmustern, die als kollektives „Wissen“ über die Korrelation zwischen<br />

Eigenschaft <strong>und</strong> Gruppenzugehörigkeit dargestellt werden. Stereotype sind,<br />

so Florack weiter, in Texten oder verbalen Äußerungen sprachlich fixiert <strong>und</strong> nicht<br />

auf dem schwer fassbaren Gebiet der „Bilder in unseren Köpfen“ angesiedelt.<br />

Stereotype sind schließlich „starre“, dauerhafte Bilder, das heißt, sie beweisen über<br />

eine bestimmte Zeitspanne eine gewisse Stabilität; zugleich sind sie dennoch teilweise<br />

beweglich. Ein bekanntes Beispiel für die relative Stabilität von Stereotypen<br />

ist das Bild vom Nationalcharakter der Spanier. Bis weit ins 19. Jahrh<strong>und</strong>ert verband<br />

man mit Spanien ein traditionsgeb<strong>und</strong>enes, stolzes Auftreten, im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

hingegen relativ konstant Leidenschaftlichkeit <strong>und</strong> Irrationalität.<br />

Ähnlich komplex ist die Lage auch beim Begriff Klischee in Bezug auf die von<br />

Stereotypenforschern benutzten Funktionen. Unter Klischee versteht man allgemein<br />

eine sinnentleerte, vorgeprägte Äußerung ohne nennenswerten Realitätsge-<br />

3 Eine sehr hilfreiche Einführung in die Begriffsgeschichte bietet Ruth Florack in: ‚Stereotyp, Klischee,<br />

Vorurteil’, in: Ruth Florack, Tiefsinnige Deutsche, frivole Franzosen. Nationale Stereotype in <strong>deutscher</strong> <strong>und</strong> französischer<br />

<strong>Literatur</strong>, Stuttgart, Weimar 2001, S. 9-16.<br />

4 Ein Problem besteht etwa darin, dass in der Umgangssprache „Stereotyp“ nicht selten gleichbedeutend<br />

mit „Vorurteil“ verwendet wird. „Stereotyp“ wird zudem immer wieder mit „Klischee“ gleichgesetzt <strong>und</strong><br />

„Klischee“ wiederum mit „Bild“; <strong>und</strong> schließlich definiert Lippmann „Stereotyp“ als „eine bestimmte Art<br />

von Bild“.

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