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Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen

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Dekodierung vs. Misreading 147<br />

Buddhismus, der damit eine Kausalität zwischen verschiedenen Leben eines Wesens<br />

bezeichnet <strong>und</strong> darin eine kosmologische Ordnung zu erkennen glaubt. Mit<br />

der radikalen Umkehr des buddhistischen Sprichworts verweist die Lyrikerin auf<br />

die verkehrte Ordnung der Menschenwelt. Sogar der Buddha selbst wird als vulgär<br />

<strong>und</strong> ruhmessüchtig entlarvt. Werte sind obsolet, denn die Grenze zwischen dem<br />

Hochwertig-Elitären <strong>und</strong> dem Niedrig-Primitiven wird durch geballte Gewalt brutal<br />

ausgelöscht. Die Möglichkeit <strong>und</strong> Unmöglichkeit eines Identitätswechsels folgt<br />

lediglich dem Machtprinzip, das dem in der ersten Strophe explizierten Prinzip des<br />

Utilitarismus entspricht. Eine scharfe Gesellschaftskritik gelingt hier mit sprachlicher<br />

Parodie.<br />

Beide Gedichte stehen weder hinsichtlich ihrer Formästhetik noch ihrer Thematik<br />

in der Traditionslinie chinesischer Lyrik. Sie beschäftigen sich eher mit Erfahrungen<br />

der gegenwärtigen Gesellschaft, die sich in einer rasanten Entwicklung<br />

befindet, welche mit großen sozialen <strong>und</strong> moralischen Problemen einhergeht. Für<br />

Leser in Deutschland ist die Rezeption gerade durch den formalen Traditionsbruch<br />

einerseits <strong>und</strong> die Thematisierung von Modernitätsproblemen andererseits erleichtert.<br />

Aber das Fortleben der autochthonen kulturellen Tradition in der chinesischen<br />

Gegenwartslyrik ist gerade das, was im Hinblick auf eine Horizontverschmelzung<br />

zum Fremdverstehen vor allen Dingen beachtet <strong>und</strong> bearbeitet werden<br />

muss. Da gerade die Refiguration kultureller <strong>und</strong> poetischer Traditionsfiguren<br />

durch ironische Wendung <strong>und</strong> kritische Reflexion eine eigenartige Originalität der<br />

chinesischen Gegenwartslyrik ausmacht, ist eine produktive interkulturelle Rezeption<br />

qua Dekodierung dieser Semiotik sehr wünschenswert.<br />

<strong>Literatur</strong>angaben<br />

Berg-Pan, Renata (1979): Bertolt Brecht and China. Bonn: Bouvier.<br />

Brecht, Bertolt (1967): „Verfremdungseffekte in der chinesischen Schauspielkunst“,<br />

in: Ders. (1967) Gesammelte Werke 16, Schriften zum Theater 2.<br />

Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 619-631.<br />

Bloom, Harold (1975): A map of misreading. New York: Oxford UP.<br />

Chen Chuan (1933): Die chinesische schöne <strong>Literatur</strong> im deutschen Schrifttum…<br />

Inauguraldissertation an der hohen Philosophischen Fakultät der Christian-<br />

Albrecht-Universität zu Kiel, Druck J.J. Augustin.<br />

Debon, Günther/Hsia, Adrian (Hrsg.) (1985): Goethe <strong>und</strong> China – China <strong>und</strong> Goethe.<br />

Bern: Peter Lang Verlag.<br />

Gadamer, Hans-Georg (1972): Wahrheit <strong>und</strong> Methode, Gr<strong>und</strong>züge einer philosophischen<br />

Hermeneutik. 3. erw. Aufl. Tübingen: Mohr.

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