Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen
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Die Redaktion der „Deutschen Balkan-Zeitung“ 219<br />
fangenschaft“ (Aram 1915), herausgegeben von dem Berliner Verlag Ullstein, wo<br />
bis 1915 ein großer Teil seiner Werke verlegt wurden.<br />
Wie wir seinem Buch entnehmen, war Kurt Aram zusammen mit seiner Frau<br />
am 1. August 1914, als Deutschland Russland den Krieg erklärte, auf dem Weg<br />
von Istanbul über Tiflis (Georgien) nach Eriwan (Armenien). Er hatte den kürzeren<br />
Weg über Batum am Schwarzen Meer gewählt <strong>und</strong> befand sich in Russland.<br />
Während der nächsten Tage hatte der deutsche Konsul keine offiziellen Nachrichten<br />
erhalten. Einheimische <strong>und</strong> Ausländer aber distanzierten sich von der kriegerischen<br />
Nation, die Menschen auf der Straße gingen den Deutschen aus dem Weg.<br />
Dann wurde die Kriegserklärung zwischen England <strong>und</strong> Deutschland bekannt. In<br />
ganz Russland wurden die Deutschen <strong>und</strong> Deutschstämmigen im Alter von 17 bis<br />
50 Jahren interniert. Aus diesem Gr<strong>und</strong> landete Kurt Aram mit seiner Frau in Sibirien.<br />
Dort fanden sich in erster Linie Geschäftsleute wieder, nur wenige Reisende<br />
waren darunter. Alle Kosten der Internierung, Essen <strong>und</strong> Trinken, warme Kleidung<br />
für Sibirien, sogar die zehntägige Bahnfahrt ins sibirische Gouvernement<br />
Watka hatten die Gefangenen selbst zu bezahlen. Wer kein Geld hatte, litt großen<br />
Hunger, fror oder war obdachlos. In den ersten Tagen hätte Aram noch ausreisen<br />
können, doch fehlte ihm der Pass, der noch zur Anmeldung bei der Polizei lag. Die<br />
zweite Bedingung war das Geld, denn mit der zunehmenden Krise stiegen die<br />
Kosten für Fahrten <strong>und</strong> notwendige Bestechungen. Dennoch gelang Aram nach<br />
fünf Monaten die Ausreise mittels überlegter Tricks, Beziehungen zu bekannten<br />
Russen, Geld <strong>und</strong> der notwendigen Beherrschung des Russischen. Aram erhielt<br />
nach allerlei Manipulationen einen Auslandsreisepass für sich <strong>und</strong> seine Frau <strong>und</strong><br />
er ließ sich eine beglaubigte Kopie anfertigen. Außerdem versuchte er trotz seines<br />
Passes möglichst wenig aufzufallen, um nicht erneut interniert zu werden. Das<br />
bedeutete für ihn, der die russische <strong>Sprache</strong> recht gut beherrschte, schnell zu sein<br />
<strong>und</strong> möglichst keinen Kontakt mit anderen Leuten zu haben. Also kaufte er eine<br />
Fahrkarte erster Klasse, da in diesen Abteilen nur zwei Personen Platz hatten, <strong>und</strong><br />
verließ es außer zum Umsteigen nicht. Schwierig wurde es in Petersburg: Dort<br />
mussten sie übernachten, da der nächste Anschlusszug erst am folgenden Tag fuhr.<br />
Alle Hotels verlangten jedoch den Reisepass <strong>und</strong> auf dem Bahnhof patrouillierten<br />
Soldaten. Glücklicherweise konnten sie bei einem Russen, den Aram von einer<br />
früheren Reise her kannte, unterkommen. Auf der letzten Etappe, von Petersburg<br />
nach Raumo (Finnland), wurde der Zug dann doch noch kontrolliert. Auch Aram<br />
<strong>und</strong> seine Frau wurden gründlich durchsucht. Sie mussten sich ihrer Kleider entledigen<br />
<strong>und</strong> die Sohlen wurden von ihren Schuhen getrennt. Alles Schriftliche wurde<br />
beschlagnahmt, der Reiseführer ebenso wie das leere Notizbuch. Nur fünfzig Rubel<br />
erhielten sie pro Person zurück, der Rest wurde konfisziert. Auch hier hoffte er<br />
zu Recht, dass man sich seinen Pass nicht genauer ansieht, damit niemand erkennt,<br />
dass er aus einem Lager kommt. Denn mittlerweile waren fast nur noch Ausländer<br />
im Zug. Die Hoffnung erfüllte sich <strong>und</strong> drei Tage nach der Abfahrt von Petersburg<br />
befanden sich beide an Bord einer schwedischen Fähre (vgl. Archiv zur Geschichte<br />
des Individuellen Reisens).