Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen
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Zur Syntax des deutschen Gedichts 107<br />
Verbum finitum ertönt wird ans Ende gerückt. Durch Endstellung <strong>und</strong> Reim wird<br />
dieses Satzglied besonders betont. Die nächste Zeile nimmt ein Imperativsatz mit<br />
invertierter Wortfolge <strong>und</strong> mit der Ausklammerung der gleichartigen präpositionalen<br />
Satzglieder ein, was auch der Hervorhebung dient. Abschluss der Strophe bildet<br />
noch eine imperativische parataktisch-hypotaktische Konstruktion aus fünf<br />
Teilsätzen, die einen Kontrast zu den vorangehenden einfachen Sätzen darstellt<br />
<strong>und</strong> die eine Spannung erzeugt. Die Teilsätze haben die folgende Abfolge: Auf<br />
drei asyndetisch bzw. durch die Konjunktion <strong>und</strong> gereihte Hauptsätze folgt ein<br />
Attributsatz, der sich auf das Substantiv Bett im vorangehenden Hauptsatz bezieht,<br />
an ihn schließt sich durch die koordinierende Konjunktion <strong>und</strong> der Hauptsatz, in<br />
dem elliptisch das Subjekt du auf Gr<strong>und</strong> der Vorerwähntheit ausgelassen ist.<br />
Der syntaktische Bau des zweiten Quartetts ist von komplexen Strukturen geprägt.<br />
Die zwei ersten Zeilen nimmt die parataktisch-hypotaktische Konstruktion<br />
aus vier Teilsätzen ein, wo dem präpositiven Nebensatz (Modalsatz) drei asyndetisch<br />
geknüpfte Hauptsätze folgen: zwei Imperativsätze <strong>und</strong> ein nominaler Ausrufesatz<br />
mit der Interjektion o Strahl!, der zusammen mit dem Nominalsatz im ersten<br />
Quartett (Z. 3) o silberne Kanüle durch einen Parallelismus Intensivierung erreicht.<br />
Durch die zweimalige Wiederholung der Interjektion o neben dem Ausruf<br />
wird eine Spannung aufgebaut. Die Strophe schließt mit einer Parataxe aus zwei<br />
Hauptsätzen mit verschiedenen Subjekten, die die Erzählfunktion besitzen. Ein<br />
besonderer stilistischer Effekt wird im Oktett durch den Parallelismus erreicht, der<br />
die Struktur der beiden Quartette bestimmt. Parallel gebaut sind Imperativsätze.<br />
Der parallele Satzbau entsteht durch die durchgehende Spitzenstellung des Verbum<br />
finitum, gefolgt vom Pronomen du (Z. 2, 3) <strong>und</strong> von den Akkusativobjekten<br />
Bett <strong>und</strong> mich. Der Parallelismus dient hier der Hervorhebung, es werden Eindringlichkeit<br />
<strong>und</strong> Überzeugungskraft vermittelt (Riesel 1954: 319). Im Zusammenhang<br />
mit der parallelen Satzkonstruktion wird die gleiche Satzmelodie erzeugt, wodurch<br />
ein ebenmäßiges Gerippe der Strophen entsteht.<br />
Im Sextett erfährt das Sonett eine Wendung. Der Blick des Dichters geht in die<br />
Vergangenheit. Das Gedicht enthält an dieser Stelle einen Tempuswechsel, vom<br />
Präsens zum Präteritum. Das erste Terzett ist von einer parataktischhypotaktischen<br />
Struktur aus drei Teilsätzen gebildet. Der Satztyp stellt einen Erweiterungstypus<br />
des hypotaktischen Gr<strong>und</strong>typus um einen Hauptsatz dar: HS-<br />
NS+HS. Der erste Teilsatz ist ein Hauptsatz mit invertierter Wortfolge, dem ein<br />
postpositiver Nebensatz (Attributsatz) untergeordnet ist. Im letzten Teilsatz liegt<br />
wiederum die Inversion vor, die neben dem Sinnakzent auch den rhythmischen<br />
Akzent hat. Alle Teilsätze haben ein Subjekt Tag, wodurch die Teilsätze besonders<br />
stark miteinander verb<strong>und</strong>en sind.<br />
Das Schlussterzett stellt mit seiner rhetorischen Frage einen pathetischen<br />
Höhepunkt dar. Es führt keine abschließende Folgerung an, besitzt keine abr<strong>und</strong>ende<br />
Funktion. Es wird hier nicht erzählt, sondern reflektiert, darauf weist auch<br />
der rhetorische Charakter der Frage hin. Ganz deutlich ist die Reflexion die Ursache<br />
für den Übergang zum Präsens. Diese Strophe bildet einen Satz: eine paratakti-