Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen
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Interkulturelle Germanistik in <strong>Göttingen</strong> 15<br />
(Benthien/Velten: 2002). Die Bewegung verläuft also umgekehrt: Arbeitsemigranten,<br />
Asylsuchende, Umweltflüchtlinge <strong>und</strong> Exilanten, aber auch Auslandsstudenten,<br />
ausländische Investoren <strong>und</strong> Geschäftsleute wandern, wenn oftmals auch nur<br />
vorübergehend, verstärkt nach Deutschland bzw. in europäische Länder ein. Das<br />
bedeutet, die Begegnung (mit dem Fremden) findet aus hiesiger Perspektive im<br />
Inneren, also im Eigenen <strong>und</strong> nicht in der Fremde statt. Was entsteht, ist eine<br />
zwangsläufige Nähe, denn aus je unterschiedlichen Beweggründen wurde eine<br />
räumliche Distanz überw<strong>und</strong>en. Es ergeben sich völlig neue Beziehungskonstellationen,<br />
in denen unterschiedliche kulturelle Konstellationen aufeinanderprallen.<br />
Doch treffen nicht nur fremde Individuen aufeinander. Vielmehr sind es unterschiedliche<br />
soziale Kontexte, in denen Menschen sozialisiert wurden, kulturelle<br />
Umgebungen also, die ihre Erwartungen <strong>und</strong> Erfahrungen, ihr Handeln <strong>und</strong> Denken<br />
entscheidend beeinflusst haben. Multikulturell geprägte Gesellschaften – <strong>und</strong><br />
die deutsche gehört hier seit geraumer Zeit dazu – sind eine politische Herausforderung<br />
<strong>und</strong> bedürfen zum einen wissenschaftlicher Forschung <strong>und</strong> zum anderen<br />
bildungspolitischer Praxis. Das heißt, die wissenschaftliche Auseinandersetzung<br />
mit Interkulturalität einerseits <strong>und</strong> die praktische Umsetzung der hierin gewonnenen<br />
Erkenntnisse andererseits sind wichtige Beiträge für den Umgang mit diesen<br />
komplexen gegenwärtigen Herausforderungen. Interkulturalität ist deshalb nicht<br />
nur ein neues Forschungsfeld, sondern zielt auf eine reale Praxis, weshalb die<br />
interkulturelle Germanistik den angewandten Wissenschaften zugerechnet wird: theorie<strong>und</strong><br />
methodenbasierte Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung mit Blick auf praktische Anwendungsbereiche.<br />
VR China: Modernisierung des Landes <strong>und</strong> wirtschaftlicher Aufstieg als<br />
Motor wissenschaftlicher Ausbildung<br />
Die Beweggründe, sich mit Interkulturalität auseinanderzusetzen, sind in der VR<br />
China in vielerlei Hinsicht anders bestellt. Gr<strong>und</strong>sätzlich lässt sich hier mit unterschiedlichen<br />
Bildungs-, Lehr- <strong>und</strong> Lerntraditionen argumentieren, die dem Fach<br />
Deutsch/Germanistik ebenso wie anderen ausländischen <strong>Sprache</strong>n <strong>und</strong> Kulturen<br />
einen spezifischen Stellenwert zuschreiben. Sehr viel expliziter als dies für Europa<br />
der Fall war <strong>und</strong> ist, stehen <strong>und</strong> standen die Ausbildungsstätten in der VR China<br />
im Dienste von Politik <strong>und</strong> Gesellschaft. Diese klare Zuordnung hat ihre Gültigkeit<br />
bis heute behalten <strong>und</strong> gilt auch für andere wissenschaftliche <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />
Bereiche.<br />
Von Anfang an, nämlich seit im Jahre 1871 ‚Deutsch‘ in den Fächerkanon der<br />
Beijinger Fremdsprachenhochschule (ehemals ��� tongwenguan) integriert wurde,<br />
war das Ausbildungsziel politisch motiviert. Der Wille zur Modernisierung der<br />
späten Qing-Dynastie (1644-1911) verlangte Dolmetscher <strong>und</strong> Übersetzer. Die<br />
1907 von Deutschland gegründete Medizin- <strong>und</strong> Technikhochschule (heutige<br />
Tongji ���� Tongji daxue), die 1909 gegründete Hochschule Qingdao für Fachwissen-