Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen
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Chinabilder in deutschen Medien 231<br />
lichen kulturellen Leistung, welche das Land kontinuierlich über die letzten 5000<br />
Jahre erbracht hat <strong>und</strong> bis heute erbringt“ (ebd.). Herzog hat den Satz formuliert,<br />
dass „nur ein Idiot nein gesagt“ (ebd.) hätte.<br />
Der Architekt für das neue CCTV-Gebäude, Rem Koolhaas, war der Meinung,<br />
dass die Freiheit in China größer denn je sei, dass es falsch sei, China nur als eine<br />
Diktatur zu verdammen. In China habe es in den letzten Jahren „große Fortschritte<br />
gegeben, es gibt sie tagtäglich“. Natürlich müsse sich noch vieles tun in Bezug<br />
auf die Menschenrechte. Die westliche „Art von Dauerkritik führt aber nur in eine<br />
Sackgasse“. Laut Koolhaas sollte man jede Möglichkeit einer Zusammenarbeit<br />
annehmen. Nur wenn es auf Zusammenarbeit angewiesen ist, kann sich China<br />
verändern (Die Zeit 24 (5. Juni 2008)).<br />
„Nach den Aufständen in Tibet fordern manche Architekten, keine Symbolbauten<br />
mehr für das chinesische Regime zu planen.“ Viele bekannte Architekturagenturen<br />
lehnten jede Zusammenarbeit mit China ab. Gemäß den Medien wollten<br />
„sie nicht für einen Staat arbeiten, der die Menschenrechte missachtet“ (Die Zeit 14<br />
(27. März 2008)), <strong>und</strong> ihre Argumente lauteten, wer baut, macht sich mitschuldig.<br />
Sie sprachen davon, dass Architektur <strong>und</strong> Moral sich nicht trennen lassen. In ihren<br />
Augen war CCTV die Propagandamaschine, die den Aufruhr in Tibet schön lügte,<br />
<strong>und</strong> das Vogelnest würde dem finsteren Staat zu einem heiter-spielerischen Antlitz<br />
verhelfen (ebd.).<br />
Bei der Konfrontierung der beiden gegeneinander stehenden Stimmen ist auch<br />
die Interaktion von Interessen <strong>und</strong> Wertvorstellungen herauszulesen. Herzog <strong>und</strong><br />
Koolhaas äußerten beide den Wunsch, mittels eigener Produkte einen winzigen<br />
Beitrag auf dem fortschreitenden Weg Chinas zu leisten, aber ihre Kollegen warfen<br />
ihnen dabei vor, dass ihre Produkte moralisch bedenklich seien. Eigentlich trägt<br />
Architektur keine politische Bedeutung. Es sind Menschen, die ihren Produkten in<br />
der Welt Bedeutungen zuschreiben, <strong>und</strong> diese Bedeutungen sind subjektabhängig.<br />
Deshalb ist es hochwahrscheinlich, dass dasselbe Produkt in den Augen unterschiedlicher<br />
Subjekte völlig unterschiedliche Bedeutungen hat. Somit ist festzustellen,<br />
dass die von den Bauten profitierenden Subjekte ihre Produkte positiv bewerten<br />
<strong>und</strong> dann das Bild des Landes, dem ihre Produkte dienen, aus einer positiven<br />
Perspektive konstruieren. In diesem Fall machten sich die profitierenden Architekten<br />
ein positives Chinabild. Die Architekten dagegen, die keine Interessen daraus<br />
ziehen konnten, hoben den ideologischen Unterschied zwischen Deutschland <strong>und</strong><br />
China hervor. Sie übertrugen ihre negative Bewertung von China auf dessen Bauten,<br />
indem sie diesen Bauten entsprechend negative Bedeutungen zuschrieben.