Kulturelle Vielfalt deutscher Literatur, Sprache und ... - SUB Göttingen
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Zur Syntax des deutschen Gedichts 109<br />
bens (Faulseit/Kühn 1969: 169) greifen die Dichter zu Ausrufesätzen. An inhaltlichen<br />
Höhepunkten erscheinen Aufforderungssätze. Am seltensten sind Fragesätze<br />
nachgewiesen. Es geht hier um rhetorische Fragen, die die Ausdruckskraft der<br />
Aussagen verstärken <strong>und</strong> die Aufmerksamkeit der Leser fesseln sollen. Gemeinsamkeiten<br />
betreffen auch die Distribution aller ermittelten Satztypen in den Sonett-<br />
Texten. Sie kommen mit verschiedener Frequenz sowohl in beiden Quartetten als<br />
auch in beiden Terzetten vor <strong>und</strong> erfüllen die entsprechenden kompositorischen<br />
Aufgaben.<br />
Die Unterschiede zeigen sich im Versmaß, in den Reimschemata in den Quartetten<br />
<strong>und</strong> Terzetten sowie in der Kürze/Länge <strong>und</strong> im Umfang der Satztypen. Die<br />
Eigenart der Syntax spiegelt sich schon in den Strukturen wider. Den größten Anteil<br />
aller Gesamtsätze bilden bei Greiffenberg <strong>und</strong> Goethe die hypotaktischen<br />
Strukturen, sie überwiegen gegenüber den parataktischen Anordnungen. In gleicher<br />
Anzahl kommen bei Rilke ausschließlich parataktische <strong>und</strong> hypotaktische<br />
Strukturen, bei Becher isolierte einfache Sätze <strong>und</strong> parataktisch-hypotaktische Anordnungen<br />
vor. Die Zahl der isolierten einfachen Sätze ist bei allen Autoren unterschiedlich:<br />
18 % bei Greiffenberg, 28,6 % bei Goethe, 14,3 % bei Rilke, 37,5 % bei<br />
Becher. Die Proportionalität zwischen dem Umfang, der Kürze/Länge des Satzes<br />
<strong>und</strong> dem Metrum, die die Wortmenge der Zeile im Voraus festlegen, konnte als<br />
Tendenz erkannt werden. Greiffenberg <strong>und</strong> Goethe orientieren sich an klassischen<br />
Vorbildern, Rilke <strong>und</strong> Becher demonstrieren einen freien Umgang mit der Form<br />
<strong>und</strong> deren Abwandlungsmöglichkeiten.<br />
Zusammenfassung<br />
Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Das Sonett erweist sich als ein mit<br />
allen syntaktischen Mitteln arbeitendes Genre. Die untersuchten Sonett-Texte der<br />
vier Autoren sind syntaktisch heterogen. Infolge der Tendenz zur Textverdichtung<br />
in einem streng kanonisierten Gedicht kleinen Umfangs ist fast jeder Sonett-Text<br />
eine Kombination aller Satztypen. Als Wesenszug der normgerechten Sonettdichtung<br />
ist der komplexe Satzbau zu betrachten. Dabei werden die Bef<strong>und</strong>e gestützt,<br />
die bereits für die Sonette anderer Autoren ermittelt wurden. Die Komplexität der<br />
Syntax entspricht der Komplexität der poetischen Form. Von vorneherein nimmt<br />
das Sonett einen besonderen Rang ein als eine gedrängte, epigrammatische Form,<br />
in die man eine gewichtige Aussage kleidet. Sie bringt einen hohen Grad an<br />
Sprachverdichtung mit sich. Die komplexen Sätze dienen hierbei der knappen,<br />
dicht gedrängten, informationsreichen Textgestaltung. Die Mannigfaltigkeit der Beziehungen<br />
kleiden die Dichter in vielgliedrige, kunstvoll zusammengefügte Satzgebilde.<br />
Sie wechseln korrespondierend mit dem Inhalt zwischen parataktischen,<br />
hypotaktischen <strong>und</strong> parataktisch-hypotaktischen Konstruktionen sowie verschiedenen<br />
Nebensatzarten. Zur Konzentration von Aussagen auf engem Raum tragen<br />
bei den Dichtern auch substantivierte Infinitive, zahlreiche Attribute, viele Ellipsen