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DIE INSPIRATIONSFRAGE IN DER ADVENTGESCHICHTE
bewerten seien. Auf der Bibelkonferenz von 1919 wurde diese Frage eingehend
erörtert, konnte jedoch nicht befriedigend gelöst werden.
Zwei führende Persönlichkeiten, A. G. Daniells und W. W. Prescott, setzten sich für
eine gemäßigte Linie ein, die die Wichtigkeit des Textzusammenhangs für die
Auslegung hervorhob und sich von Unfehlbarkeit, Verbalinspiration und
allumfassender Anwendbarkeit distanzierte. Sowohl Daniells, Präsident der
Generalkonferenz seit 1901, wie auch Prescott hatten zu Ellen White eine enge
persönliche Beziehung gehabt. Sie bestätigten ihre Autorität, nicht aber ihre
Unfehlbarkeit.
Obwohl die heftigsten Gegner von Daniells bei jener Konferenz gar nicht zugegen
waren, traten sie ihm und seinen Ansichten doch vehement entgegen. Während der
Sitzung der Generalkonferenz von 1922 verteilte J. S. Washburn ein gegen Daniells
gerichtetes Pamphlet. Weitere Anstrengungen wurden unternommen, die letztlich
eine Wiederwahl von Daniells als Präsident der Generalkonferenz verhinderten.
An der Bibelkonferenz von 1919 nahmen auch Männer teil, die behutsam
vorgingen, wie M. E. Kern und F. M. Wilcox. Sie betrachteten die „gemäßigte“
Haltung als durchaus vernünftig, äußerten jedoch Bedenken für den Fall, daß diese
Ansicht in den Gemeinden bekannt würde. „Meines Erachtens gibt es sehr viele
Fragen, die wir zurückhalten und nicht diskutieren sollten,“ sagte Wilcox. „Ich sehe
nicht ein, daß wir jede Frage, die uns von Schülern oder von anderer Seite gestellt
wird, beantworten müssen.“ (Couperus 45.46)
Die Zurückhaltung siegte. Daniells und Prescott, die sich für ein klares
Bekenntnis zur moderaten Haltung eingesetzt hatten, wurden beiseite geschoben. Die
vorsichtig Gemäßigten beherrschten das Feld und bestimmten, was die Gemeinden
fortan hören und lesen sollten. Wilcox war Herausgeber der Zeitschrift Review and
Herald bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1944. Kern wurde 1933 Dekan der
„Advanced Bible School“ und 1936, als diese zum „Seventh-Day Adventist
Theological Seminary“ ausgebaut wurde, dessen Präsident. Von 1943 bis zu seiner
Pensionierung (1950) war er Feldsekretär der Generalkonferenz und Vorsteher des
Beirats der Ellen G. White-Publikationen.
Da sich die Gemeinschaft weitgehend mit den konservativ Denkenden und
vorsichtig Gemäßigten identifizierte, verschwand das Sitzungsprotokoll der
Bibelkonferenz von 1919 in den Archiven der Generalkonferenz und geriet in
Vergessenheit. Es tauchte erst 1974 wieder auf, als das Inspirationsproblem erneut in
den Mittelpunkt rückte.
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