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GÖTTLICHE BOTSCHAFT, IRDISCHES GEFÄSS<br />

Leben schwächen.<br />

Einige Beispiele und Erläuterungen können uns zu einem besseren Verständnis<br />

verhelfen, wie der autoritäre Alles-oder-Nichts-Anspruch unser Leben und Denken<br />

beeinflußt.<br />

Einer meiner Kollegen erzählte ein Erlebnis aus dem Unterricht in einem anderen<br />

Kulturkreis, das die autoritätsbezogene Alles-oder-Nichts-Haltung treffend illustriert.<br />

Er unterrichtete eine Gruppe von Predigern, die sich <strong>als</strong> hochmotivierte und fähige<br />

Studenten erwiesen und bei Prüfungen meist einen Punktestand von fast 90%<br />

erreichten.<br />

Als einmal ein Test zurückgegeben wurde, hörte man ein unzufriedenes<br />

Gemurmel, das sich auf eine der Fragen bezog. Die Hälfte der Studenten hatte diese<br />

Frage nicht beantworten können. Als mein Kollege erkannte, daß die Frage nicht<br />

eindeutig genug formuliert war, gab er der Klasse bekannt, er werde diese Frage aus<br />

dem Test entfernen und bei der Benotung nicht berücksichtigen. In Nordamerika gilt<br />

dies <strong>als</strong> faires Vorgehen – ein Lehrer hätte auch nichts zu lachen, wenn er sich<br />

anders verhielte.<br />

In dieser nicht-westlichen Kultur, die stärker autoritär geprägt war, wußten die<br />

Studenten die Anpassungsfähigkeit des Lehrers aber nicht zu schätzen. Am nächsten<br />

Tag brachten drei Studenten dem Übersetzer ihre Bedenken zum Ausdruck. „Unser<br />

Lehrer wird seine Autorität untergraben, wenn er das noch einmal macht.“ Es<br />

gehörte zum Wesen ihrer Kultur, daß Lehrer (und vermutlich Autoritätspersonen<br />

ganz allgemein) immer recht haben, auch wenn sie im Unrecht sind!<br />

Innerhalb eines Systems, das auf Güte und nicht auf Macht gegründet ist, nutzen<br />

Studenten ihre Freiheit, die gelegentlichen Fehler ihres Lehrers zu korrigieren.<br />

Solange es dabei um sporadische Fehler geht, wird das Vertrauen der Studenten in<br />

ihren Lehrer und seine guten Absichten verstärkt. (Allerdings führen auch in einem<br />

solchen System zu viele Fehler zu einem Vertrauensverlust.) Studenten in einem<br />

autoritären Umfeld werden dagegen lieber mit dem stillen Verdacht leben, der Lehrer<br />

könnte einen Irrtum begangen haben, <strong>als</strong> mit einem öffentlichen Eingeständnis seines<br />

Irrtums. Wenn ein Lehrer in seinem Unterricht eigene Schwächen eingesteht,<br />

untergräbt er damit seine Autorität. Wie können ihm die Studenten dann noch<br />

Vertrauen entgegenbringen?<br />

Ich erinnere mich an den Einwand eines aufgebrachten Studenten während der<br />

Nachbesprechung einer Klausur. Als wir die Prüfungsfragen miteinander<br />

durchgingen, kamen wir zu einer Frage, die nahezu von allen Kursteilnehmern<br />

beanstandet wurde. Ich bat um ein Handzeichen, und es stellte sich heraus, daß diese<br />

Frage von fast allen f<strong>als</strong>ch oder gar nicht beantwortet worden war. Ich gab sofort<br />

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