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Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik

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Anhörung Bayerischer Landtag · 15. Wahlperiode<br />

82. S0, 27. 09. 2007 Wortprotokoll – vom Redner nicht autorisiert<br />

Kommunen. Mir ist also die Sicht aller am Verfahren Beteiligten<br />

bestens bekannt.<br />

Ganz kurz: Ich meine, dass das Wunsch- <strong>und</strong> Wahlrecht<br />

im Hinblick auf die pädagogische Ausrichtung der Betreuungseinrichtungen<br />

oftmals leider dort aufhört, wo<br />

die Betreuung in einer Kindertageseinrichtung außerhalb<br />

der Aufenthaltsgemeinde erfolgen soll. Das stellt<br />

meiner Ansicht nach einen Verstoß gegen das b<strong>und</strong>esrechtlich<br />

garantierte Wunsch- <strong>und</strong> Wahlrecht aus § 5<br />

SGB VIII dar, das räumlich nicht beschränkt ist. Es gibt<br />

kein Territorialprinzip im Rahmen der Jugendhilfe in der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. Das hat das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht<br />

mehrfach festgestellt. Das sagen auch<br />

alle b<strong>und</strong>esrechtlichen Kommentare.<br />

Der Landesgesetzgeber kann das Wunsch- <strong>und</strong> Wahlrecht<br />

auch räumlich nicht einschränken, wenn er die<br />

Planung auf die Kommunen überträgt. Das ist in<br />

§ 69 Abs. 5 SGB VIII eindeutig <strong>und</strong> klipp <strong>und</strong> klar festgelegt.<br />

Es gibt mehrere Gastkinderregelungen, die das im<br />

BayKiBiG auffangen sollen. Diese sind zum Teil auch<br />

vernünftig <strong>und</strong> richtig <strong>und</strong> gut. Wir beobachten jedoch<br />

die Rechtsprechung seit einem Jahr. 80 % aller Fälle,<br />

die die Verwaltungsgerichte in den letzten 12 Monaten<br />

entschieden haben, gingen ausschließlich um die Gastkinderregelung.<br />

Es zeigt sich, dass die Gastkinderregelung<br />

in Teilen doch nicht ganz das Wunsch- <strong>und</strong> Wahlrecht<br />

auffangen kann.<br />

Ich will das ganz kurz darstellen: Bei der örtlichen Bedarfsplanung<br />

gibt es eine Gastkinderregelung nach<br />

Art. 7 Abs. 2 Satz 2 BayKiBiG. Diese setzt aber voraus,<br />

dass die Nachfrage, der Bedarf, der dort <strong>für</strong> eine Betreuung<br />

in einer anderen Gemeinde planerisch bewältigt<br />

werden soll, so erheblich ist, dass ich ihn quasi zwingend<br />

mit einer Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit<br />

in der Bedarfsplanung als Gemeinde berücksichtigen<br />

muss. Das setzt voraus, dass es mehrere Kinder sind,<br />

die in einer Nachbargemeinde oder woanders eine Einrichtung<br />

besuchen. Die Gerichte haben bisher entschieden,<br />

dass es sich bei drei bis fünf Kindern jeweils<br />

um einen Einzelfall handelt. Selbst bei kleinen Gemeinden,<br />

die im Altersbereich von drei bis sechs Jahren<br />

nur 100 bis 150 Kinder in einer Gemeinde haben, reichen<br />

drei bis fünf Kinder nicht aus, um das Planungsermessen<br />

so zu beschränken, dass die Gemeinde diese<br />

Kinder in die örtliche Bedarfsplanung als bedarfsnotwendig<br />

aufnehmen müsste. Das bedeutet deswegen zu<br />

Recht – dies entspricht auch der Rechtsprechung des<br />

B<strong>und</strong>esverwaltungsgerichts <strong>und</strong> der bayerischen Verwaltungsgerichte<br />

-, dass ich als Gemeinde Einzelfälle<br />

planerisch nicht in der örtlichen Bedarfsplanung berücksichtigen<br />

muss. Einzelfälle gehören eben auch nicht<br />

in eine Planung, die notwendigerweise grobmaschig<br />

ist.<br />

Dann gibt es Einzelfallregelungen nach Art. 23 Abs. 1<br />

BayKiBiG. Danach sind Plätze auswärts zu fördern,<br />

wenn vor Ort kein ausreichendes Betreuungsangebot<br />

vorhanden ist. Das kann man qualitativ auslegen. Dies<br />

sagen auch die Verwaltungsgerichte; das heißt, wenn<br />

die qualitativ gewünschte Montessori- oder Waldorfpä-<br />

dagogik nicht vorhanden ist. Das Problem ist nur, dass<br />

in Art. 23 Abs. 2 <strong>und</strong> 3 BayKiBiG Ausschlussgründe genannt<br />

sind. Diese Ausschlussgründe greifen unabhängig<br />

davon, ob das gewünschte Angebot vorhanden ist oder<br />

nicht. Diese sagen einfach, wenn vor Ort beispielsweise<br />

ein freier Platz von sechs St<strong>und</strong>en nachgewiesen<br />

werden kann, dann ist der Anspruch nach Art. 23 Abs. 1<br />

BayKiBiG immer ausgeschlossen, auch wenn die Eltern<br />

möglicherweise ein anderes Angebot wünschen, das es<br />

vor Ort nicht gibt. Dies bedeutet, dass das Wunsch- <strong>und</strong><br />

Wahlrecht dann ausgeschlossen wird. Dass Klagen in<br />

diesem Fall in den letzten fünf Monaten erfolgreich<br />

waren, lag ausschließlich daran, dass die Gemeinden<br />

keine örtlichen Bedarfsplanungen durchgeführt hatten<br />

oder dass die örtlichen Bedarfsplanungen nicht ordnungsgemäß<br />

waren. Dies wird sich aber demnächst<br />

ändern, weil natürlich alle in diesem Prozess lernen <strong>und</strong><br />

Anfangsfehler gemacht werden.<br />

Die zweite Einzelfallregelung, die Art. 23 BayKiBiG vorsieht,<br />

ist in Absatz 4 dieser Vorschrift. Danach kann bei<br />

einem zwingenden persönlichen Ausnahmegr<strong>und</strong> gefördert<br />

werden. Ein zwingender persönlicher Ausnahmegr<strong>und</strong><br />

ist vom Wortlaut her sehr eng gefasst <strong>und</strong> eine<br />

hohe Hürde. Die Gesetzesbegründung sagt, dies solle<br />

§ 5 SGB VIII unterstützen. Das Verwaltungsgericht Regensburg<br />

hat entschieden, dass der Wortlaut so eng<br />

gefasst ist, dass das Wunsch- <strong>und</strong> Wahlrecht nicht darunter<br />

fallen kann. Ein zwingender persönlicher Gr<strong>und</strong><br />

ist eben ein sehr besonderer Ausnahmegr<strong>und</strong>. Die<br />

Rechtsprechung des VGH geht auch in diese Richtung.<br />

Das Ministerium hat sich in diesem Musterprozess geäußert<br />

<strong>und</strong> ist auch der Auffassung, dass § 5 SGB VIII<br />

keinen Ausnahmegr<strong>und</strong> im Sinne von Art. 23 Abs. 4<br />

BayKiBiG darstellt.<br />

Bleibt noch als letzte Einzelfallausnahmeregelung die<br />

Förderung durch die Landkreise nach Art. 7 Abs. 3 Bay-<br />

KiBiG. Hier<strong>für</strong> ist allerdings Voraussetzung, dass die<br />

Einrichtung mit ihren Plätzen dem gesamten Landkreis<br />

zugute kommt. Wir haben gerade einen Musterprozess<br />

geführt <strong>und</strong> in erster Instanz gegen einen Landkreis gewonnen,<br />

der hier heute auch vertreten ist <strong>und</strong> sicherlich<br />

etwas dazu sagen wird. Dies war natürlich ein spezieller<br />

Fall. Es war bei der Einrichtung unstreitig, dass mehr als<br />

50 % aller Gemeinden Kinder in den letzten Jahren in<br />

diese Einrichtung geschickt hatten. Das ist aber ein<br />

ganz seltener Fall. Der normale, klassische Fall sieht ja<br />

so aus, dass eine Einrichtung etwa 20 bis 50 % Gastkinder<br />

hat, die aber aus fünf bis zehn Gemeinden<br />

kommen. Dies ist folglich <strong>für</strong> den gesamten Landkreis<br />

nicht so erheblich, dass dieser dort einspringen<br />

müsste.<br />

Was ist also das Problem? Wir haben keine Möglichkeiten,<br />

um das Wunsch- <strong>und</strong> Wahlrecht tatsächlich einzeln<br />

durchzusetzen. Auf planerischer Ebene kann ich<br />

das Wunsch- <strong>und</strong> Wahlrecht einschränken. Dies sagt<br />

auch das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht. Aber nach § 5<br />

SGB VIII – im Einzelfall – kann ich dies eben nicht. Da<br />

sehe ich ein Problem. Es wäre beispielsweise möglich,<br />

entweder Art. 23 BayKiBiG im Wortlaut zu ändern, das<br />

heißt, den Wortlaut weiter zu fassen oder – wie andere<br />

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