28.11.2012 Aufrufe

Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik

Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik

Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Anhörung Bayerischer Landtag · 15. Wahlperiode<br />

82. S0, 27. 09. 2007 Wortprotokoll – vom Redner nicht autorisiert<br />

erleben. Es ist durchaus interessant, aus diesen verschiedenen<br />

Perspektiven die gleiche Fragestellung<br />

manchmal unterschiedlich zu beantworten.<br />

Mir fällt aus der Gesamtsystemsicht am BayKiBiG auf,<br />

dass das Thema der Fördergerechtigkeit einen ganz<br />

großen Sprung nach vorn getan hat. Die Förderung verläuft<br />

jetzt nicht nur nach sehr eingängigen <strong>und</strong> transparenten<br />

Kriterien, sondern nun wird auch noch eine Disparität<br />

nivelliert, die in dem alten System gewachsen<br />

war <strong>und</strong> niemandem richtig aufgefallen war, nämlich<br />

eine durchaus schichtspezifische Disparität: In den bayerischen<br />

Kindertageseinrichtungen gab es in sozialen<br />

Brennpunkten mehr Kinder mit längerer Zeit als Kinder<br />

in Einrichtungen in typischen Mittelschichtregionen.<br />

Dieser Effekt hat gerade in den Großstädten eine ganz<br />

große Rolle gespielt. Sie hatten regelmäßig die<br />

schlechten Anstellungsschlüssel in den Brennpunktsstadtvierteln,<br />

<strong>und</strong> sie hatten den guten Anstellungsschlüssel<br />

in den Stadtvierteln, in denen eine größere<br />

Lobbyarbeit <strong>für</strong> diese Einrichtungen betrieben wurde.<br />

Diese Entwicklung novelliert sich mit dem BayKiBiG.<br />

Das geschieht sehr still, da werden leider keine Schlagzeilen<br />

produziert; es werden leider keine Elterninitiativen<br />

dann sagen: Schaut her, was hier passiert. Das geschieht<br />

im Stillen. Man sieht ein paar Highlights, wenn<br />

man darüber nachdenkt, was es bedeutet, dass große<br />

Träger, zum Beispiel die Stadt Nürnberg <strong>und</strong> die Stadt<br />

München als Träger, die sehr stark in benachteiligten<br />

Regionen tätig sind, ganz erheblich Erzieherinnen einstellen.<br />

In der Stadt Nürnberg wurden, so glaube ich,<br />

um die 60 Erzieherinnen neu eingestellt. Frau Hartl-<br />

Grötsch wird vielleicht später noch die Zahlen von München<br />

sagen. Das heißt, hier finden Qualitätsverbesserungen<br />

statt, die sich auf eine ganz andere Art <strong>und</strong> Weise<br />

äußern, wie es in dieser Anhörung bisher im Raum<br />

stand. Das sind Qualitätsverbesserungen an einer Stelle,<br />

wo man sagen muss: Hier wird etwas nachgeholt. Das<br />

hätte man vielleicht vorher auch tun können, aber es ist<br />

ganz wichtig, dass hier ein Ausgleich stattfindet, der<br />

sehr wenig öffentlichkeitsrelevant ist. Das führt zu einer<br />

ganz erheblich besseren Fördergerechtigkeit.<br />

Das kann man übrigens auch ganz stark an der Entwicklung<br />

des Anteils an Kindern mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

in den Einrichtungen beobachten. Eine Art Systemkrankheit<br />

fast aller Kindertageseinrichtungssysteme,<br />

nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland,<br />

ist es, dass es in aller Regel Einrichtungen mit<br />

einem ganz geringen Anteil von Kindern mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

in unmittelbarer Nachbarschaft zu Einrichtungen<br />

gibt, die einen Anteil von 60 bis 90 % von Kindern<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong> haben. Dieser Entwicklung<br />

steuert das BayKiBiG ganz erheblich entgegen. Ich<br />

sehe mit großer Freude, dass sich diese große Spanne<br />

gerade in den großen Städten sehr stark nivelliert.<br />

Das weist über dieses Thema hinaus: Was sollen denn<br />

diese Faktoren eigentlich? Ich erlebe immer wieder in<br />

Fachdiskussionen an dieser Stelle: Man muss einen<br />

Faktor definieren, damit man mehr Geld bekommt, <strong>für</strong><br />

bestimmte Kindertypen oder wo<strong>für</strong> auch immer. Diese<br />

Faktoren sind aber in erster Linie ein Instrument der Integration.<br />

Man greift also steuernd in das System mit<br />

dem sehr plumpen Mittel der Ökonomie ein <strong>und</strong> nimmt<br />

eine Bevölkerungsgruppe, die vielleicht ansonsten<br />

etwas benachteiligt wäre, stärker in den Fokus. Genau<br />

das hat bei den Kindern mit Migrationshintergr<strong>und</strong> funktioniert,<br />

<strong>und</strong> genau so sollte man die Debatte weiterführen.<br />

Deswegen ist es aus meiner Sicht auch falsch, Kindergruppen,<br />

die überall vorkommen <strong>und</strong> bei denen keine<br />

Gefahr der Ausgrenzung besteht, jetzt da hineinzunehmen.<br />

Es ist zwar tausendmal gerechtfertigt, mehr<br />

Geld <strong>für</strong> Kinder mit einem besonderen Förderbedarf<br />

haben zu wollen, aber bitte nicht über den Faktor, sondern<br />

über eine Erhöhung des Basiswerts. Das ist ein<br />

ganz wichtiger Unterschied. Damit wären Sie an dieser<br />

Stelle auch das Thema der Verwaltung los. Wenn man<br />

darauf reagieren möchte, dass wir eine gesellschaftliche<br />

Entwicklung haben, in der es mehr Problemkinder gibt,<br />

dann muss man das mit den Mitteln des Basiswerts tun;<br />

dann muss der Anstellungsschlüssel insgesamt verbessert<br />

werden. Bitte nicht mit einem Faktor; denn mit<br />

jedem Faktor haben Sie wieder ein Verwaltungselement!<br />

Ich bin sehr angetan von den Möglichkeiten, die sich<br />

jetzt durch das BayKiBiG auf kommunaler Ebene ergeben.<br />

In München hat sich eine ganz spannende Fachdiskussion<br />

zu dem Thema entwickelt, welche Akzente<br />

man als Landeshauptstadt München setzen möchte,<br />

um das BayKiBiG jetzt kommunalpolitisch zu ergänzen.<br />

Ein Beispiel sei genannt: Es gab eine sehr spannende<br />

Diskussion zum Thema der kompensatorischen Bildung.<br />

Ich habe vorhin schon gesagt, dass das BayKiBiG<br />

gewachsene Disparitäten nivelliert. Jetzt ist in der Diskussion,<br />

das Ganze in die andere Richtung zu schieben<br />

<strong>und</strong> zu sagen: Wir reagieren jetzt auf die uns mit der<br />

Pisa- <strong>und</strong> der OECD-Studie x-mal um die Ohren gehauene<br />

Disparität im Bildungswesen <strong>und</strong> investieren<br />

speziell in Krippen <strong>und</strong> Kindergärten in Problemzonen,<br />

von denen man weiß, dass hier bildungspolitischer<br />

Handlungsbedarf besteht. Das ist ein Gedanke, der jetzt<br />

in der Diskussion ist. Man weiß nicht, wie er in der weiteren<br />

Beschlussfassung eine Rolle spielen wird. Ich<br />

möchte nur andeuten, dass es sehr gut möglich ist, auf<br />

das BayKiBiG als Gr<strong>und</strong>lage weitere Dinge draufzusetzen.<br />

Das ist übrigens eine Diskussion, die man auch<br />

auf Landesebene führen könnte.<br />

Die dritte Perspektive, zwar die kleinste, aber <strong>für</strong> mich<br />

persönlich eine sehr wichtige: Für mich ist es sehr<br />

wichtig, wie sich das BayKiBiG <strong>für</strong> mich als Träger entwickelt.<br />

Wir betreiben schon seit über zehn Jahren eine<br />

Einrichtung in Nürnberg-Gostenhofen. Eine zweite<br />

haben wir gerade während der Vorbereitung des Bay-<br />

KiBiG neu gebaut in Kooperation mit einer Firma. In der<br />

Vorplanungszeit war <strong>für</strong> mich die größte Planungsunsicherheit,<br />

ob das BayKiBiG beziehungsweise die kindbezogene<br />

Förderung nicht im letzten Moment wieder<br />

abgebogen wird. Die größte Planungsunsicherheit, in<br />

der ich mich im Moment befinde, ist die Überlegung,<br />

43

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!