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Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik

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Anhörung Bayerischer Landtag · 15. Wahlperiode<br />

82. S0, 27. 09. 2007 Wortprotokoll – vom Redner nicht autorisiert<br />

Ich möchte darauf hinweisen, dass mit der Teilzeitbeschäftigung<br />

natürlich auch der Verdienst zurückgeht.<br />

Dies hat Herr Görres dankenswerterweise angesprochen.<br />

Ich habe die Arbeitsbedingungen in der Großtagespflege<br />

verglichen mit den Arbeitsbedingungen in<br />

der Kindertagesstätte <strong>und</strong> in der Krippe. Das können<br />

Sie in meiner umfangreichen Stellungnahme sehen.<br />

Dieser Vergleich macht deutlich, dass selbst eine Erzieherin<br />

mit einem vollen Arbeitsvertrag je nach steuerlichem<br />

Abzug unter Umständen weniger verdient als<br />

eine Tagesmutter, die eine Großtagespflege anbietet.<br />

Eine Erzieherin ist nicht ausgenommen von normalen<br />

weiblichen Schicksalen <strong>und</strong> bleibt ihr Leben lang verheiratet<br />

usw. Vielmehr kann es auch passieren, dass ihr der<br />

Mann wegläuft.<br />

(Vorsitzender Joachim Wahnschaffe (SPD): Dazu<br />

findet heute allerdings keine Anhörung statt.)<br />

Ja, genau. Das ist auch besser so. Ich will mich jetzt<br />

Frau Pauli nicht anschließen.<br />

(Heiterkeit)<br />

Dennoch ist es sehr bedenklich, dass wiederum Frauen<br />

stark von Armut betroffen sein werden, genauso deren<br />

Kinder, also Kinder von Erzieherinnen, die an der wichtigsten<br />

Stelle in der Gesellschaft arbeiten. Schaut man<br />

sich die Rente an, die diese Frauen zu erwarten haben,<br />

kann man sagen: Wer in der Kindertagesstätte arbeitet,<br />

läuft Gefahr, in die Armutsfalle zu geraten.<br />

(Vereinzelter Beifall)<br />

Dann möchte ich noch die Flexibilität hinsichtlich der<br />

Altersöffnung ansprechen. Große Einrichtungen, wie sie<br />

vor allem in Städten möglich sind, können in ihren Kindertagesstätten<br />

natürlich Kleingruppen mit Kleinkindern<br />

bilden. Von der Möglichkeit, unter Dreijährige in die Regelgruppe<br />

zu integrieren, machen vor allen Dingen Kindertagesstätten<br />

im ländlichen Raum Gebrauch, weil<br />

diese viel stärker von dem demoskopischen Wandel bedroht<br />

sind. Diese tun das entgegen ihrer pädagogischen<br />

Überzeugung.<br />

Sie haben heute die unter Zweijährigen angesprochen.<br />

Aber ich möchte die unter Dreijährigen einschließen. Ich<br />

glaube nicht, dass es einen Sinn hat, unter Dreijährige in<br />

Großgruppen zu integrieren. Es geht sogar so weit, dass<br />

die Konkurrenz im ländlichen Raum so groß ist, dass<br />

von drei Einrichtungen jede ein bis zwei unter Dreijährige<br />

aufnimmt, anstatt sich zusammenzutun <strong>und</strong> eine<br />

Kleingruppe zu bilden, wie es den unter Dreijährigen<br />

entsprechen würde. Stattdessen schnappt sich jeder<br />

diese Kinder, <strong>für</strong> die die Bedingungen sehr schlecht<br />

sind. Ich bezweifle sehr, dass es unter den Bedingungen<br />

– hierzu möchte ich eine Expertin zitieren, die das Staatsinstitut<br />

<strong>für</strong> Frühpädagogik leitet – möglich ist, „die Signale<br />

eines Kindes wahrzunehmen, diese richtig zu interpretieren<br />

<strong>und</strong> prompt sowie angemessen darauf zu<br />

reagieren <strong>und</strong> gleichzeitig sein Bedürfnis nach Selbstregulation<br />

<strong>und</strong> Selbstbestimmung zu respektieren“. Ich<br />

zitiere noch mal Frau Dr. Fabienne Becker-Stoll, die<br />

sagt: „Sichere Erzieherinnen-Kind-Bindungen entstehen<br />

in Kindergruppen, in denen die Gruppenatmosphäre<br />

durch ein empathisches Erzieherinnenverhalten bestimmt<br />

wird, das gruppenbezogen ausgerichtet ist <strong>und</strong><br />

die Dynamik in der Gruppensituation reguliert.“ Dieses<br />

Erzieherinnenverhalten, also dieses empathische Erzieherinnenverhalten,<br />

bildet sich besonders in kleinen stabilen<br />

Gruppen. Das brauchen die unter Dreijährigen. Wir<br />

können hier nicht von kleinen stabilen Gruppen sprechen,<br />

die uns zur Verfügung stehen <strong>und</strong> auch nicht von<br />

irgendeiner sicheren Perspektive, die Erzieherinnen<br />

hätten.<br />

Dann möchte ich auf die Gewichtungsfaktoren eingehen.<br />

Es ist tatsächlich ein Problem, dass nicht alle<br />

Kinder <strong>für</strong> alles einen Gewichtungsfaktor bekommen.<br />

Ich halte die Gewichtungsfaktoren <strong>für</strong> ungerecht. Man<br />

macht sie nicht gerechter, indem man neue schafft. Vielmehr<br />

sollte – das wurde auch schon angesprochen – der<br />

Anstellungsschlüssel zurückgehen. Wenn eine Personalkraft<br />

<strong>für</strong> acht Kinder zwischen drei bis sechs Jahren<br />

zuständig wäre, könnten die Gewichtungsfaktoren einfach<br />

entfallen, weil man allen Bedingungen gerecht<br />

werden könnte. Lediglich <strong>für</strong> Integration bräuchten wir<br />

dann noch Gewichtungsfaktoren. Für alle anderen Voraussetzungen<br />

bräuchten wir keine mehr, sei es, dass<br />

ein Kind nicht deutsch kann, in der Sprachentwicklung<br />

zurück ist oder die Mutter des Kindes Krebs bekommen<br />

hat, die Oma gestorben ist, ein Geschwisterchen geboren<br />

wurde, das Kind in die Schule geht oder zwei<br />

Jahre alt ist, wobei diese Altersgruppe andere Bedingungen<br />

braucht. Ich glaube, wir sollten davon wegkommen,<br />

Kinder in diese Kategorien zu stecken. Vielmehr<br />

haben alle Kinder ein Recht auf Integration, <strong>und</strong><br />

jedes Kind ist anders. Deshalb brauchen wir einen besseren<br />

Anstellungsschlüssel.<br />

Allerdings bildet der Anstellungsschlüssel nicht ab, wie<br />

viel Personal <strong>für</strong> die Kinder in der Gruppe zur Verfügung<br />

steht. Das ist schlecht. Denn wenn die Verfügungszeiten<br />

zurückgehen, müssen Dokumentation, Beobachtung,<br />

Elterngespräche <strong>und</strong> alles, was in einer Vorbereitungszeit<br />

oder der sogenannten Verfügungszeit getan wird,<br />

während der Zeit, in der Kinder da sind, getan werden.<br />

Es werden zum Teil Kinderpflegerinnen – das habe ich<br />

auf den Seiten des Ministeriums im Internet-Chat nachlesen<br />

dürfen – vier Wochen in der Gruppe alleine gelassen,<br />

ohne dass jemand krank ist, sondern weil die<br />

Leitung die Daten einpflegen muss. Da frage ich mich:<br />

Wie soll hier noch irgendein Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungsziel<br />

umgesetzt werden? Wie soll da Qualität erreicht<br />

werden? Dies ist schlichtweg nicht möglich.<br />

Hier schließe ich an die erste Rednerin an. Es besteht<br />

die Gefahr, dass wir unter diesen Bedingungen zu Aufbewahrungsstätten<br />

werden. Das kann es nicht sein,<br />

auch wenn es sich nur um vier Wochen handelt. Es darf<br />

keinen Tag passieren.<br />

Genauso verhält es sich, wenn eine Kollegin die Sprachförderung<br />

macht <strong>und</strong> mit sechs Kindern aus der Gruppe<br />

geht. Dann sind immer noch 19 Kinder da, die auch ein<br />

Recht auf Bildung haben, die auch ein Recht haben in-<br />

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