03.12.2012 Aufrufe

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

2. Vereinbarkeit der Regelung des can. 1179 CIC/1917 mit dem<br />

Staatskirchenrecht, insb. Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 ff. WRV?<br />

Bevor die Vereinbarkeit einer konkordatären Regelung eines kirchlichen <strong>Asylrecht</strong>s für<br />

Nichtdeutsche mit dem Staatsrecht <strong>und</strong> dem Staatskirchenrecht geprüft werden soll, ist<br />

die Untersuchung folgender Frage angebracht: Ist die Regelung des can. 1179 CIC/1917<br />

überhaupt mit dem Staatskirchenrecht vereinbar gewesen?<br />

Es stellt sich die Frage, ob das in can. 1179 CIC/1917 niedergelegte kirchliche<br />

<strong>Asylrecht</strong> mit dem Staatskirchenrecht der We<strong>im</strong>arer Republik vereinbar war. Dies wäre nur<br />

dann der Fall, wenn es vom Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht der Religionsgesellschaften nach<br />

Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV („Jede Religionsgesellschaft ordnet <strong>und</strong> verwaltet ihre Angelegenheiten<br />

selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.“) umfasst wäre. Der Satz besagt<br />

zweierlei: Verschiedenheit (Trennung in diesem Sinne) der Kirche vom Staat <strong>und</strong> Verbot<br />

der Leitung (Regierung <strong>und</strong> Verwaltung) der Kirche durch den Staat. 367 Unstreitig zu den<br />

eigenen Angelegenheiten der Religionsgesellschaften werden insbesondere Glaubenslehre,<br />

Kultusordnung, Verfassung <strong>und</strong> Verwaltung der Religionsgesellschaften gezählt. 368 Auch<br />

wenn man die eigenen Angelegenheiten nach der Natur der Sache, der Zweckbeziehung<br />

oder Zweckbest<strong>im</strong>mung abgrenzt 369 <strong>und</strong> damit weit fasst, kann man aber das kirchliche<br />

<strong>Asylrecht</strong> nicht unter das kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht einordnen. Denn die Kirche<br />

kann ein <strong>Asylrecht</strong> nicht von Natur aus beanspruchen, <strong>und</strong> das kirchliche <strong>Asylrecht</strong> ist<br />

ebenso wenig von vornherein auf die Ausübung der Religion als solcher bezogen. Hinzu<br />

kommt folgendes: Sobald religionsgesellschaftliche Akte in die staatliche Sphäre<br />

hineinragen <strong>und</strong> nicht als bloße zufällige Folge, sondern selbständig Rückwirkungen auf<br />

die bürgerlichen <strong>und</strong> staatsbürgerlichen Verhältnisse haben, <strong>und</strong> Rechtswirksamkeit<br />

gegenüber Dritten beanspruchen - erst recht, wenn sie nur unter staatlicher Anerkennung<br />

<strong>und</strong> Mitwirkung durchzusetzen sind -, hören sie auf, eigene Angelegenheit zu sein. 370 Die<br />

Gewährung kirchlichen <strong>Asylrecht</strong>s wäre ohne staatliche Anerkennung <strong>und</strong> Mitwirkung<br />

nicht durchzusetzen. Auch aus diesem Gr<strong>und</strong>e kann das kirchliche <strong>Asylrecht</strong> nicht eigene<br />

Angelegenheit der Kirche sein <strong>und</strong> dem kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht unterfallen.<br />

Seit Inkrafttreten des Gr<strong>und</strong>gesetzes gilt nichts anderes. Das Asylwesen gehört <strong>im</strong><br />

modernen Staat nicht zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirchen. 371 Und selbst wenn<br />

es hierzu zu zählen wäre, müsste das kirchliche <strong>Asylrecht</strong> an den asyl- <strong>und</strong><br />

367 Anschütz, S. 634.<br />

368 Anschütz, S. 636, der die Gegenstände des Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts zugleich eng begrenzt. Ebers, in:<br />

Nipperdey (Hrsg.), Die Gr<strong>und</strong>rechte <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>pflichten der Reichsverfassung, 2. Bd., S. 391.<br />

369 Ebers, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Gr<strong>und</strong>rechte <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>pflichten der Reichsverfassung, 2. Bd., S. 389;<br />

ders., Staat <strong>und</strong> Kirche <strong>im</strong> neuen Deutschland, S. 258 ff.<br />

370 Ebers, Staat <strong>und</strong> Kirche <strong>im</strong> neuen Deutschland, S. 297 f.<br />

371 Vgl. nur Jacobs, ZevKR 35 (1990), S. 37 f.<br />

96

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!