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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Abs. 1 Nr. 1 AuslG i.V.m. § 27 StGB. 260 Daher wird an dieser Stelle ausschließlich auf<br />

eine Strafbarkeit nach diesen Normen eingegangen. 261<br />

Nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit<br />

Geldstrafe bestraft, wer entgegen § 3 Abs. 1 S. 1 sich ohne Aufenthaltsgenehmigung <strong>im</strong><br />

B<strong>und</strong>esgebiet aufhält <strong>und</strong> keine Duldung nach § 55 Abs. 1 besitzt. Die Duldung wirkt<br />

also tatbestandsausschließend. 262 Nach dem oben Gesagten muss aufgr<strong>und</strong> des offenen<br />

<strong>Kirchenasyl</strong>s Art. 4 GG als verfassungsunmittelbares Abschiebungshindernis interpretiert<br />

werden, so dass dem Flüchtling eine Duldung erteilt werden muss, da die Abschiebung<br />

aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Der bloße Anspruch auf Erteilung einer<br />

Duldung muss nach dem Sinn <strong>und</strong> Zweck der Regelung genügen, um die Strafbarkeit<br />

auszuschließen. 263<br />

Nicht nur der objektive, sondern auch der subjektive Tatbestand muss aber verneint<br />

werden. Denn die Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> zielt gerade nicht auf einen rechtswidrigen<br />

Aufenthalt ab, sondern auf einen rechtmäßigen. 264<br />

Nach einem Beschluss des BayObLG aus dem Jahre 1996 265 steht der Anwendung des<br />

§ 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG nicht entgegen, dass der Ausländer zunächst einen Asylantrag<br />

<strong>und</strong> nach dessen rechtskräftiger Ablehnung einen Asylfolgeantrag gestellt hat. Wenn ein<br />

Asylbewerber bei Vollziehbarkeit der Ausreiseverpflichtung nicht ausreise, so mache er<br />

sich grds. nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG strafbar. Wenn er aber einen Asylfolgeantrag<br />

stelle, stünde ihm nach § 71 Abs. 5 S. 2 AsylVfG ein Abschiebungsschutz (nur) bis zur<br />

Mitteilung des B<strong>und</strong>esamtes zu, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG<br />

nicht vorlägen; bis zu diesem Zeitpunkt mache er sich nicht wegen unerlaubten<br />

Aufenthalts strafbar, weil sein Aufenthalt faktisch geduldet werde. 266 Die Einlegung von<br />

Rechtsmitteln gegen den ablehnenden Bescheid des B<strong>und</strong>esamtes nach § 71 Abs. 1 S. 1<br />

260 Vgl. Bührle, „<strong>Kirchenasyl</strong>“ in der Spannung zwischen Recht <strong>und</strong> kirchlichem Auftrag - aus juristischer <strong>und</strong><br />

kirchenrechtlicher Perspektive, in: Evangelische Akademie Mülhe<strong>im</strong>/Ruhr (Hrsg.), <strong>Kirchenasyl</strong> in der<br />

Spannung zwischen Recht <strong>und</strong> kirchlichem Auftrag, S. 29 ff., 33.<br />

261 Eine Strafbarkeit nach § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG (Einschleusen von Ausländern) scheidet aufgr<strong>und</strong> der<br />

historischen <strong>und</strong> teleologischen Auslegung aus. Zwar legt der Wortlaut die Anwendung der Norm auch in<br />

den <strong>Kirchenasyl</strong>fällen nahe (Beihilfe zu einer Straftat nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG „wiederholt oder<br />

zugunsten von mehreren Ausländern“); die Strafandrohung dient jedoch der Bekämpfung des<br />

Schlepperunwesens (vgl. BT-Drs. 12/5683, insb. die Begründung auf S. 8: „Mit den §§ 92 a, 92 b werden<br />

Strafverschärfungen sowie neue Qualifikationstatbestände gegen das gewerbsmäßige <strong>und</strong> organisierte<br />

Schlepperunwesen eingeführt ...“). Ebenso wie hier Roßkopf, AWR-Bulletin 1996, S. 104 sowie Andrea <strong>und</strong><br />

Henning Radtke, ZevKR 42 (1997), S. 28 f.: teleologische Reduktion des § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG.<br />

262 Holzheuser, S. 173.<br />

263 Ferner kann der Tatbestand der Beihilfe <strong>im</strong> Falle offenen <strong>Kirchenasyl</strong>s auch unter dem Aspekt der<br />

Sozialadäquanz (sozialübliches Verhalten) entfallen, dazu näher Aurnhammer, S. 191 f.<br />

264 Bührle, „<strong>Kirchenasyl</strong>“ in der Spannung zwischen Recht <strong>und</strong> kirchlichem Auftrag - aus juristischer <strong>und</strong><br />

kirchenrechtlicher Perspektive, in: Evangelische Akademie Mülhe<strong>im</strong>/Ruhr (Hrsg.), <strong>Kirchenasyl</strong> in der<br />

Spannung zwischen Recht <strong>und</strong> kirchlichem Auftrag, S. 29 ff., 33.<br />

265 NVwZ-Beilage 1996, S. 62 f. = Wollenschläger/Weickhardt (Hrsg.), EZAR 355 Nr. 14. In dem Fall tauchte<br />

der Ausländer nach Ablehnung seines Asylfolgeantrages unter, um sich der bereits terminierten<br />

Abschiebung zu entziehen. Später fand er eine Unterkunft bei einem evangelischen Pfarrer in Augsburg.<br />

266 Ebenso OLG Düsseldorf, Strafverteidiger 1998, S. 139 f.<br />

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