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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Die Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> ist in der Regel tätige Nächstenliebe - dies um so<br />

mehr, als die Kirchen den Schutz der Fremden als eine wichtige Aufgabe ansehen.<br />

Christliche Nächstenliebe, ja sogar eine christliche Beistandspflicht für<br />

Schutzbedürftige sind häufig die Triebfedern zu solchem Handeln. Man habe sich z.B.<br />

verpflichtet gefühlt, der kurdischen Familie, der nach dem Kenntnisstand der<br />

Kirchengemeinde bei einer Abschiebung in ihre He<strong>im</strong>at Gefahren für Leib <strong>und</strong> Leben<br />

drohten, in den kirchlichen Räumen aufzunehmen <strong>und</strong> ihr <strong>Kirchenasyl</strong> zu gewähren.<br />

Christen sehen es oftmals als ihre Pflicht an, Asylbewerber zu schützen, wenn durch<br />

deren Abschiebung deren f<strong>und</strong>amentale Menschenrechte bedroht werden. 94 Hilfe für<br />

Menschen in Not ist <strong>im</strong> Gewissen gebotene Christenpflicht. 95<br />

Damit kann die Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> als Ausdruck tätiger Nächstenliebe <strong>und</strong><br />

christlicher caritas unter Art. 4 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 fallen. 96 Die tätige Nächstenliebe wird nicht<br />

gegenüber irgendjemandem geübt, sondern gegenüber Fremden, die meist hilfebedürftig<br />

sind.<br />

Papst Johannes Paul II. schrieb in seiner Botschaft zum Welttag der Migranten 1995: 97<br />

„“Ich war fremd ..., <strong>und</strong> ihr habt mich aufgenommen“ (Mt 25, 35). Es ist Aufgabe der<br />

Kirche, diese Glaubenslehre des Herrn nicht nur unablässig zu wiederholen, sondern<br />

auch deren richtige Anwendung auf die verschiedenen Situationen zu zeigen, die der<br />

Wechsel der Zeiten jeweils neu entstehen lässt. Heute tritt der ungesetzliche Migrant als<br />

jener „Fremde“ vor uns, in dem Jesus wiedererkannt werden will. Ihn aufzunehmen <strong>und</strong><br />

solidarisch mit ihm zu sein ist Pflicht der Gastfre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> der Treue zu unserer<br />

Identität als Christen.“<br />

„Der Glaube ist“ - so der Katholische Erwachsenen-Katechismus 98 - „eine<br />

Orientierungshilfe in der Wahrnehmung solidarischer Verantwortung: ... für Vertriebene<br />

<strong>und</strong> Asylsuchende, für Ausländer ...“<br />

Dehnen 99 ist der Ansicht, es sei unstreitig, dass auch das in der Regel nur für<br />

Gottesdienste genutzte Kirchengebäude für Hilfesuchende zu öffnen sei, wenn keine<br />

andere Möglichkeit zu helfen bestehe.<br />

94 Vgl. Pospischil, S. 27.<br />

95 Kommission XIV Migration der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Hilfe <strong>und</strong> Schutz bedrohter Menschen <strong>im</strong><br />

Einzelfall, (36), S. 14 <strong>und</strong> (59.1), S. 20.<br />

96 Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 52. Ebenso Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 4, Rn. 120:<br />

die Gewährung von Unterhalt <strong>und</strong> weiterer Unterstützung für von Abschiebung bedrohte Ausländer<br />

(<strong>Kirchenasyl</strong>) fällt in den Schutzbereich der individuellen Glaubensfreiheit, wenn dieses <strong>Kirchenasyl</strong> aus<br />

religiösen Gründen geboten wird. A.A. Mager, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 4, Rn. 65: alleine<br />

die Berufung auf die Gewissensfreiheit kommt in Betracht.<br />

97 Migranten ohne Aufenthaltsstatus. Botschaft Johannes Paul II. zum Welttag der Migranten, 25. Juli 1995.<br />

98 Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.), Katholischer Erwachsenen-Katechismus, 2. Bd., S. 72.<br />

99 ZevKR 40 (1995), S. 14.<br />

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