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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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In der Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> könnte die Ausübung des durch Art. 4 GG<br />

verbürgten Gr<strong>und</strong>rechts der Glaubens- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit liegen. 81<br />

1. Schutzbereich des Gr<strong>und</strong>rechts<br />

a) Glaubensfreiheit<br />

Die Glaubensfreiheit 82 umfasst nicht nur die (innere) Freiheit zu glauben oder nicht zu<br />

glauben, sondern auch die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen<br />

<strong>und</strong> zu verbreiten. 83 Dazu gehört auch das Recht des einzelnen, sein gesamtes Verhalten<br />

an den Lehren seines Glaubens auszurichten <strong>und</strong> seiner inneren Glaubensüberzeugung<br />

gemäß zu handeln. 84 Damit erfasst der einheitliche Schutzbereich des Art. 4 GG, der die<br />

Absätze 1 <strong>und</strong> 2 umfasst, 85 nicht nur das sog. forum internum (Innenbereich), sondern<br />

gleichfalls das sog. forum externum (Außenbereich, d.h. das gewissensbest<strong>im</strong>mte<br />

Verhalten). 86<br />

Der Schutzbereich der Glaubensfreiheit ist demgemäss in einem weiten Sinne zu<br />

verstehen <strong>und</strong> umfasst auch das Handeln nach der Glaubensüberzeugung. Besonders<br />

deutlich wurde dies in der „Lumpensammlerentscheidung“ des BVerfG 87 vom 16.<br />

Oktober 1968. Das BVerfG stellte fest, dass Art. 4 Abs. 2 GG auch das Recht<br />

gewährleiste, Sammlungen für kirchliche oder religiöse Zwecke zu veranstalten. Die<br />

Katholische Landjugendbewegung Deutschlands hatte Anfang 1965 <strong>im</strong> ganzen<br />

B<strong>und</strong>esgebiet die „Aktion Rumpelkammer“ veranstaltet: sie sammelte gebrauchte<br />

Kleidung, Lumpen <strong>und</strong> Altpapier <strong>und</strong> verkaufte das gesamte Material an Großabnehmer.<br />

Der dabei erzielte Erlös von mehreren Millionen Deutsche Mark war für die Landjugend<br />

in unterentwickelten Ländern best<strong>im</strong>mt. Sowohl diese Aktion als auch die<br />

Kanzelabkündigung hierfür erklärte das BVerfG als von Art. 4 Abs. 2 GG geschützte<br />

81 Vgl. dazu bereits Huber, ZAR 1988, S. 156 f.; neuerdings besonders Geis, JZ 1997, S. 63 ff. (hiergegen:<br />

Renck, NJW 1997, S. 2089 ff.) sowie Roßkopf, AWR-Bulletin 1996, S. 103 f. Ausführlich auch Schultz-<br />

Süchting, S. 224 ff.<br />

82 Dazu eingehend Listl, Glaubens-, Bekenntnis- <strong>und</strong> Kirchenfreiheit, in: Listl/Pirson (Hrsg.), HdbStKirchR,<br />

Bd. 1, S. 439 ff.<br />

83 BVerfGE 32, 98 ff., 106 („Ges<strong>und</strong>beter“, unter Hinweis auf BVerfGE 24, 236 ff., 245:<br />

„Lumpensammlerentscheidung“ bzw. „Aktion Rumpelkammer“); bestätigt z.B. durch BVerfGE 69, 1 ff.,<br />

33 f. (Kriegsdienstverweigerung).<br />

84 BVerfGE 32, 98 ff., 106.<br />

85 Vgl. BVerfGE 24, 236 ff., 245; Pieroth/Schlink, Gr<strong>und</strong>rechte Staatsrecht II, Rn. 506 f.<br />

86 So für die Gewissensfreiheit Pieroth/Schlink, Gr<strong>und</strong>rechte Staatsrecht II, Rn. 524.<br />

87 Auch „Aktion Rumpelkammer“ genannt, BVerfGE 24, 236 ff. Vgl. hierzu auch Töppler, in: Ökumenische<br />

B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ e.V. (Hrsg.), Rechtliche Aspekte des <strong>Kirchenasyl</strong>s, S. 19 ff.; ders.,<br />

Rechtliche Aspekte des <strong>Kirchenasyl</strong>s, in: Just/Sträter (Hrsg.), <strong>Kirchenasyl</strong>. Ein Handbuch, Karlsruhe 2003,<br />

S. 103 ff., 107 ff.<br />

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