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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Dieser Ansatz v. Münchs geht fehl. Allerdings nicht etwa nur, weil das <strong>Kirchenasyl</strong><br />

losgelöst von der staatlichen Asylgewährung zu sehen ist, 157 sondern weil die Gewährung<br />

von <strong>Kirchenasyl</strong> keine Asylgewährung durch die Kirche darstellt, wie v. Münch unterstellt 158.<br />

Nach der sog. Willkürformel des BVerfG ist das Willkürverbot <strong>und</strong> damit der<br />

Gleichheitssatz dann verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache<br />

ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Gr<strong>und</strong> für eine gesetzliche<br />

Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt“. 159 Kurz gefasst, verbietet es<br />

der Gleichheitssatz, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln, <strong>und</strong> gebietet, wesentlich<br />

Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. 160 Nach der sog. neuen<br />

Formel ist das Gleichheitsgr<strong>und</strong>recht hingegen „vor allem dann verletzt, wenn eine<br />

Gruppe von Normadressaten <strong>im</strong> Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt<br />

wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art <strong>und</strong> solchem<br />

Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“. 161 Damit<br />

tritt die Verhältnismäßigkeitsprüfung (Erfordernis eines legit<strong>im</strong>en Zwecks) neben die<br />

Willkürprüfung. Diese Formeln betreffen jedoch in erster Linie den Gesetzgeber, nicht<br />

die Verwaltung.<br />

Für die Verwaltung können vor allem die Gr<strong>und</strong>sätze der Selbstbindung der<br />

Verwaltung bewirken, dass eine sachlich unbegründete Abweichung von einer bisher<br />

geübten Praxis <strong>im</strong> Einzelfall ausgeschlossen ist. 162 In den Fällen der Gewährung von<br />

<strong>Kirchenasyl</strong> drang bisweilen die Polizei in kirchliche Räumlichkeiten ein <strong>und</strong> führte die<br />

Abschiebung durch. Aufgr<strong>und</strong> dieser einzelnen Fälle kann jedoch von einer<br />

Selbstbindung der Ausländerbehörden nicht die Rede sein, da in der Mehrzahl der Fälle<br />

auf eine (sofortige) Abschiebung aus dem <strong>Kirchenasyl</strong> heraus verzichtet wurde. Ein<br />

solcher zeitweiser Aufschub der Abschiebung oder Verzicht auf sie geschieht nicht ohne<br />

sachlichen Gr<strong>und</strong>. Der Unterschied besteht gerade darin, dass den Ausländern in<br />

kirchlichen Räumen <strong>Kirchenasyl</strong> gewährt wird.<br />

Wenn tatsächlich eine Verletzung des Gleichheitssatzes gegeben wäre, dann wäre dies<br />

eine Verletzung durch Private, nicht durch Organe des Staates. In diesem Fall stellt sich<br />

die Frage, ob der Staat verpflichtet ist, diese Ungleichbehandlungen zu beseitigen. Dies<br />

wäre nur dann der Fall, wenn eine staatliche Schutzpflicht zur Verhinderung von<br />

Verletzungen des Gleichheitssatzes bestünde.<br />

157 Diese Begründung führt Bayer an (S. 256).<br />

158 NJW 1995, S. 565 f., 566: „Gewähren ein Pfarrer oder Mitglieder einer Kirchengemeinde Asylbewerbern<br />

Zuflucht, so setzen sie an die Stelle des staatlichen Asylanerkennungsverfahrens ihr eigenes Verfahren: die<br />

in Art. 16 a GG <strong>und</strong> <strong>im</strong> Asylverfahrensgesetz aufgestellten Rechtsregeln werden damit in diesem Fall<br />

außer Kraft gesetzt.“<br />

159 Z.B. BVerfGE 89, 132 ff., 141; ständige Rspr.<br />

160 Vgl. nur BVerfGE 90, 145 ff., 195 f.<br />

161 BVerfGE 55, 72 ff., 88; seither ständige Rspr. des Ersten Senats.<br />

162 Vgl. neuerdings z.B. BVerwG, NVwZ 1998, S. 273 ff., 274 ff.<br />

141

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