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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Selbst wenn man sie aber hierunter fassen würde, ergäben sich aus der Einordnung als<br />

ziviler Ungehorsam alleine keine Konsequenzen für die strafrechtliche Würdigung. 275<br />

Denn zum einen ist ziviler Ungehorsam notwendigerweise <strong>und</strong> schon begrifflich mit<br />

einem Rechtsbruch verb<strong>und</strong>en. 276 Zum anderen kann alleine die Einstufung eines<br />

Verhaltens als ziviler Ungehorsam nicht zu einer Strafmilderung oder Straffreiheit führen.<br />

Der Erste Senat des BVerfG hat sich in seiner wegweisenden Sitzblockaden-Entscheidung<br />

vom 11. November 1986 277 auch mit der Frage der strafrechtlichen Bewertung des zivilen<br />

Ungehorsams auseinandergesetzt. Er kam zum Ergebnis, dass es angesichts der<br />

Zielrichtung des zivilen Ungehorsams (Einwirkung auf den öffentlichen<br />

Willensbildungsprozess unter Bereitschaft zu symbolischen Regelverletzungen <strong>und</strong> unter<br />

Inkaufnahme des Risikos entsprechender Sanktionen) widersinnig erschiene, den<br />

Gesichtspunkt des zivilen Ungehorsams als Rechtfertigungsgr<strong>und</strong> für<br />

Gesetzesverletzungen geltend zu machen. 278<br />

Als Rechtsfigur kann ziviler Ungehorsam daher keine Auswirkungen auf die<br />

Strafbarkeit der <strong>Kirchenasyl</strong> Gewährenden haben. Die Motive allerdings, die zur<br />

Ausübung des zivilen Ungehorsams führten, müssen bei der Strafzumessung<br />

Berücksichtigung finden. 279<br />

3. Ausstrahlungswirkung des Gr<strong>und</strong>rechts aus Art. 4 GG auf die Strafbarkeit der<br />

<strong>Kirchenasyl</strong>-Gewährung<br />

Betätigungen <strong>und</strong> Verhaltensweisen, die aus einer best<strong>im</strong>mten Glaubenshaltung<br />

fließen, dürfen nicht ohne weiteres den Sanktionen unterworfen werden, die der Staat für<br />

ein solches Verhalten - unabhängig von seiner glaubensmäßigen Motivierung - vorsieht. 280<br />

275 Ebenso: Roßkopf, AWR-Bulletin 1996, S. 104; vgl. auch Gramlich, S. 208. Vgl. allgemein Schüler-Springorum,<br />

Strafrechtliche Aspekte zivilen Ungehorsams, in: Glotz (Hrsg.), Ziviler Ungehorsam <strong>im</strong> <strong>Rechtsstaat</strong>, S. 76<br />

ff.<br />

276 Ebenso BVerfGE 73, 206 ff., 252.<br />

277 BVerfGE 73, 206 ff., 232 f. (mit Literaturnachweisen) <strong>und</strong> 250 ff.<br />

278 BVerfGE 73, 206 ff., 252. Neuerdings hat die Zweite Kammer des Zweiten Senats des BVerfG in einem<br />

Beschluss vom 10.6.1997 diese Gr<strong>und</strong>sätze bestätigt, s. EuGRZ 1997, S. 520 ff., 521.<br />

279 Zur ausschließlichen Berücksichtigung des zivilen Ungehorsams bei der Strafzumessung (§ 46 StGB)<br />

ausführlich Hirsch (Strafrecht <strong>und</strong> Überzeugungstäter, S. 28 ff., 31 ff., 34, m. w. Nachw. dieser<br />

herrschenden Meinung).<br />

280 BVerfGE 32, 98 ff., 108; ausdrücklich bestätigt durch BVerfGE 69, 1 ff., 34 (Kriegsdienstverweigerung).<br />

Der Zweite Senat des BVerfG proklamiert also <strong>im</strong> Jahr 1985 (die Entscheidung wurde am 24.4.1985<br />

gefällt) keine Abkehr von der Entscheidung des Ersten Senats vom 19. Oktober 1971. Auch seitdem<br />

findet sich keine anderslautende Entscheidung. Daher kann das Argument, es habe sich um eine singuläre<br />

Entscheidung gehandelt, nicht überzeugen.<br />

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