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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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inlandsbezogenen Abschiebungs- bzw. Vollstreckungshindernisses die Ausländerbehörde<br />

zuständig 135.<br />

Die Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> könnte auf der Gr<strong>und</strong>lage der Glaubens- <strong>und</strong><br />

Gewissensfreiheit des Art. 4 GG ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis darstellen,<br />

das die Ausländerbehörde berücksichtigen müsste.<br />

Art. 4 GG könnte als verfassungsunmittelbares Abschiebungshindernis wirken<br />

<strong>und</strong> auf diese Weise als Vollstreckungshindernis der Abschiebung entgegenstehen. Wenn<br />

dies der Fall wäre, dann dürfte auch eine Durchsuchung der <strong>Kirchenasyl</strong>räume zum<br />

Zwecke der Abschiebung der Flüchtlinge nicht angeordnet werden <strong>und</strong> nicht stattfinden.<br />

In der Literatur werden bis jetzt sowohl inlandsbezogene als auch zielstaatsbezogene<br />

verfassungsunmittelbare Abschiebungshindernisse aus Art. 1, 2, 4 Abs. 3 <strong>und</strong> 6 GG<br />

abgeleitet. 136 Es werden also - in bezug auf den Abzuschiebenden -<br />

Abschiebungshindernisse anerkannt, die sich unmittelbar aus der Verfassung ergeben.<br />

Wenn dem aber so ist, dann kann es von vorneherein nicht ausgeschlossen sein, dass<br />

auch Art. 4 GG ein verfassungsunmittelbares Abschiebungshindernis darstellt. Allerdings<br />

ist hierbei zu beachten, dass es dabei nicht um Gr<strong>und</strong>rechte des Abzuschiebenden geht<br />

(wie z.B. das in Art. 6 GG verbürgte Gr<strong>und</strong>recht auf Schutz der Familie), sondern um<br />

Gr<strong>und</strong>rechte Dritter, die den Schutz des Abzuschiebenden bezwecken. Das Gr<strong>und</strong>recht<br />

der Glaubens- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit wirkt aber insofern absolut, als der Staat zum Schutz<br />

der Gr<strong>und</strong>rechte stets verpflichtet ist (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG). Auf die Frage, wer<br />

Gr<strong>und</strong>rechtsträger ist, kommt es nicht an. Um eine Drittwirkung der Gr<strong>und</strong>rechte (d.h.<br />

Bindung Privater an die Gr<strong>und</strong>rechte) 137 geht es also gar nicht. 138 Aufgr<strong>und</strong> dieser<br />

absoluten Schutzwirkung des Gr<strong>und</strong>rechts aus Art. 4 GG ist in diesem Gr<strong>und</strong>recht ein<br />

verfassungsunmittelbares Abschiebungshindernis zu sehen, weil die Glaubens- <strong>und</strong><br />

Gewissensfreiheit der <strong>Kirchenasyl</strong> Gewährenden tangiert ist. 139<br />

Die auf Art. 4 GG beruhende Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> bezweckt den Schutz der<br />

Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Leben <strong>und</strong> körperliche Unversehrtheit.<br />

Dieser durch die Ausübung der Glaubens- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit beabsichtigte Schutz<br />

135 BVerwG, NVwZ 1998, S. 526 f. (Leitsatz 2) = InfAuslR 1998, S. 121 ff. Zur Abgrenzung der<br />

Zuständigkeit ausführlich Treiber, in: Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht, II-§ 53, Rn. 28.3 ff.<br />

136 Vgl. ausführlich Treiber, in: Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht, II-§ 53, Rn. 68 ff., 69 ff., 74 ff., 75 ff.;<br />

Renner, Ausländerrecht in Deutschland, S. 804 f., 809 ff. Die Rechtsprechung erkennt als inlandsbezogene<br />

verfassungsunmittelbare Abschiebungshindernisse an: Suizidgefahr, Schwangerschaft <strong>und</strong> unzumutbare<br />

Ges<strong>und</strong>heitsrisiken sowie Schutz der Familie (Renner, a.a.O., S. 810 m. w. Nachw.).<br />

137 Vgl. dazu nur Pieroth/Schlink, Gr<strong>und</strong>rechte Staatsrecht II, Rn. 173 ff.<br />

138 Daher ist auch der Umweg von Geis (<strong>Kirchenasyl</strong> <strong>im</strong> <strong>demokratischen</strong> Verfassungsstaat, in: B<strong>und</strong>esamt für die<br />

Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Hrsg.), Asylpraxis, Bd. 3, S. 69 ff., 94 ff.; ders., JZ 1997, S. 65 ff.) über<br />

die Annahme eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung sowie eines mehrpoligen Verhältnisses <strong>und</strong> der<br />

Berücksichtigung der auf Art. 4 GG basierenden Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> bei der Duldungserteilung<br />

nicht nötig.<br />

139 Gegen einen aus Art. 4 GG hergeleiteten Abschiebungsschutz aber Huber, ZAR 1988, S. 157.<br />

136

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