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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Die <strong>im</strong> Laufe der Jahrh<strong>und</strong>erte entwickelten Erweiterungen des kirchlichen <strong>Asylrecht</strong>s<br />

auf weitere Orte (z.B. Klöster, Bischofswohnungen) sind damit ausgeschlossen worden,<br />

zumal sich beinahe überall <strong>und</strong> schon vor Herausgabe des Codex eine gegenläufige<br />

Übung herausgebildet hatte. 227<br />

Allerdings genießen die Friedhöfe insofern <strong>Asylrecht</strong>, als bei dem Herausholen der<br />

Straftäter aus Friedhöfen die Vorschriften zu beachten sind, die entweihende Handlungen<br />

ausschließen. 228<br />

b) Persönlicher Schutzbereich<br />

Nicht nur der räumliche, sondern auch der persönliche Geltungsbereich ist in einer<br />

Hinsicht weit gefasst: den Schutz der Freistätte genossen unterschiedslos alle, ob getauft<br />

oder ungetauft, ob gebannt oder andersgläubig. 229 Allerdings normiert der Codex das<br />

kirchliche <strong>Asylrecht</strong> ausschließlich für Straftäter <strong>und</strong> in einer abgemilderten, abgeschwächten<br />

Form 230. Dem Wortlaut der Best<strong>im</strong>mung nach („rei“, <strong>im</strong> Singular „reus“) läge es an sich<br />

nahe, dass die Norm nur von „Angeklagten“ spricht. Da aber nach dem kirchlichen<br />

<strong>Asylrecht</strong> der vorangegangenen Jahrh<strong>und</strong>erte auch Straftäter geschützt wurden, die noch<br />

nicht angeklagt waren, ist davon auszugehen, dass das Wort in seiner Bedeutung<br />

„Schuldige“ verwendet wurde, so dass also allgemein Straftäter gemeint sind. Die<br />

Bedeutung „Schuldner“, die „reus“ auch haben kann, kommt in can. 1179 CIC/1917 aus<br />

historischen Gründen nicht zum Ausdruck. Zum einen deshalb, weil die Norm - in<br />

Anbetracht der bis zum Ende des Mittelalters zahlreichen detaillierten Best<strong>im</strong>mungen des<br />

kirchlichen <strong>Asylrecht</strong>s für Straftäter - auf jeden Fall das Asyl für Straftäter festschreiben<br />

wollte; denn dieses war ja zumeist der Hauptanwendungsfall des kirchlichen <strong>Asylrecht</strong>s<br />

überhaupt. Wenn dies aber so ist, dann hätte der kirchliche Gesetzgeber zum anderen<br />

neben „reus“ ein weiteres Wort zur Bezeichnung der Schuldner verwenden müssen, um<br />

klar zum Ausdruck zu bringen, dass auch diese vom Schutzbereich umfasst sein sollten.<br />

Das kirchliche <strong>Asylrecht</strong> bedeutete also, dass - zur Wahrung der Heiligkeit der<br />

kirchlichen Gebäude - das Recht der öffentlichen Gewalt suspendiert war, Straftäter<br />

227 Vgl. Coronata, S. 45 f.<br />

228 Coronata, S. 152.<br />

229 Vgl. Eichmann/Mörsdorf, II. Bd., S. 316. Andersgläubigen wurde nach einer vermittelnden Theorie dann<br />

Asylschutz zuteil, wenn sie sich bereit erklärten zu konvertieren, s. Caron, Asilo (diritto di), III) Diritto<br />

Canonico, in: Enciclopedia giuridica (Treccani), Bd. III, 1988, S. 2.<br />

230 Cance, S. 22, Fn. 1.<br />

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