03.12.2012 Aufrufe

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

In seiner abweichenden Auffassung <strong>im</strong> Asylum Case vertrat Richter Alvarez dennoch die<br />

Ansicht, die Gewährung diplomatischen Asyls in den lateinamerikanischen Staaten stelle<br />

keine Beeinträchtigung der territorialen Hoheitsgewalt dar, <strong>und</strong> folgte demnach -<br />

allerdings ohne nähere Begründung - der Exterritorialitätstheorie. 101 Heute findet diese<br />

Theorie jedoch nur noch wenige Anhänger. 102<br />

(3) Repräsentationstheorie <strong>und</strong> Theorie der funktionalen Notwendigkeit<br />

Da die Exterritorialität nicht mehr als Begründung des Asylschutzes heranzuziehen ist,<br />

kann das diplomatische Asyl lediglich aus Völkervertrags- <strong>und</strong> Völkergewohnheitsrecht<br />

bezüglich der diplomatischen Aufgabenerfüllung selbst abgeleitet werden 103 - angesichts<br />

der Tatsache, dass die Wiener Diplomatenrechtskonvention (WÜD) vom 18. April<br />

1961 104 selbst keine Best<strong>im</strong>mung über diplomatisches Asyl enthält. Neben der<br />

überkommenen Exterritorialitätstheorie werden zur Begründung des Sonderstatus der<br />

Diplomaten <strong>im</strong> Empfangsstaat zwei weitere Theorien vertreten: die Repräsentationstheorie<br />

<strong>und</strong> die Theorie der funktionalen Notwendigkeit. 105 Die Repräsentationstheorie stellt auf die<br />

Stellung des Diplomaten als Repräsentant des Regenten oder des souveränen Staates ab.<br />

Bezüglich der Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben respektiert der Empfangsstaat die<br />

Unabhängigkeit des Entsendestaates. Er schützt daher die Diplomaten <strong>und</strong> n<strong>im</strong>mt sie<br />

weitgehend von seiner Gerichtsbarkeit aus. Die Repräsentationstheorie allein vermag<br />

jedoch nicht zu erklären, weshalb zwei unabhängige Staaten sich gegenseitig Vorrechte<br />

<strong>und</strong> Immunitäten auf dem eigenen Staatsgebiet einräumen.<br />

Die neuere, <strong>im</strong> modernen Völkerrecht allgemein anerkannte Theorie der funktionalen<br />

Notwendigkeit (Funktionstheorie) begründet die Immunitäten <strong>und</strong> Vorrechte der<br />

Diplomaten damit, dass die diplomatische Mission als Vertretung ihres Entsendestaates in<br />

der Lage sein muss, ihre Aufgaben wirksam zu erfüllen. Nach der Funktionstheorie genießen<br />

die diplomatischen Missionen - ebenso wie deren Mitglieder - diejenigen Privilegien <strong>und</strong><br />

Befreiungen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nötig sind; diese Immunitäten sind also nur<br />

relative, auf die Aufgabenerfüllung bezogene. 106<br />

Auf diesem Hintergr<strong>und</strong> ist die in Art. 22 der WÜD vom 18. April 1961 niedergelegte<br />

Unverletzlichkeit der Mission zu verstehen. Zu berücksichtigen ist, dass das WÜD eine<br />

Kodifizierung der gewohnheitsrechtlich geltenden Vorrechte, Immunitäten <strong>und</strong><br />

Befreiungen der Diplomaten darstellt. 107 Vertreter des Empfangsstaats dürfen die<br />

Räumlichkeiten der Mission nach Art. 22 Abs. 1 S. 2 WÜD nur mit Zust<strong>im</strong>mung des<br />

101 C.I.J. Recueil 1950, S. 292.<br />

102 Z.B. Ripollés, Asilo, in: Mascarenas (Hrsg.), Nueva Enciclopedia Jurídica, Tomo III, S. 50 <strong>und</strong> 51 f.. Vgl. zu<br />

weiteren Vertretern der Exterritorialitätstheorie Kitschenberg, S. 83 (Fn.1).<br />

103 So zutreffend Hailbronner, in: Beitz/Wollenschläger, Handbuch des <strong>Asylrecht</strong>s, Bd. 1, S. 73.<br />

104 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961, BGBl. 1964 II, S. 957 ff.<br />

105 Vgl. dazu <strong>und</strong> <strong>im</strong> folgenden Ipsen, S. 490 f. Vgl. auch K<strong>im</strong>minich/Hobe, Völkerrecht, S. 316.<br />

106 Meyer-Lindenberg/Seidl-Hohenveldern, in: Seidl-Hohenveldern, Lexikon des Rechts - Völkerrecht, S. 67.<br />

107 Ipsen, S. 490.<br />

49

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!