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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Vermittlungsangebotes der Kirche durchgeführt worden. Die Geistlichen der Kirche<br />

Saint-Bernard erklärten sich außerstande, in den darauffolgenden Tagen in der Kirche die<br />

Messe zu lesen. Vertreter der linken Parteien <strong>und</strong> der Gewerkschaften reagierten entrüstet<br />

ob der gewaltsamen Räumung.<br />

60 Unterstützer der Afrikaner wurden vorübergehend festgenommen, darunter auch<br />

die Schauspielerin Emmanuelle Béart. Vier der sans-papiers von Saint-Bernard wurden am 24.<br />

August 1996 abgeschoben, 46 andere in Abschiebehaft genommen. Die meisten aber<br />

wurden wegen Formfehlern bald freigelassen. Noch am Abend des 23. August<br />

versammelten sich in Paris mehrere tausend Menschen zu einer Protestdemonstration. An<br />

den folgenden Tagen fanden in ganz Frankreich mehrere Demonstrationen für die sanspapiers<br />

statt. Am 20. Oktober besetzten die sans-papiers in einer symbolischen Aktion für<br />

einen Tag erneut die Kirche Saint-Bernard.<br />

Durch die Besetzung der Kirche wurde einer breiteren Öffentlichkeit deutlich, dass die<br />

lois Pasqua einige widersprüchliche oder lückenhafte Best<strong>im</strong>mungen enthielten. Viele<br />

schon lange in Frankreich ansässige Ausländer hatten nicht mehr die Möglichkeit, ihre<br />

Aufenthaltstitel verlängern zu lassen, obwohl sie nicht abgeschoben werden konnten oder<br />

sollten. Es ist bemerkenswert, dass die Regierung bereits am Tag nach der Polizeiaktion<br />

(am 24. August) eine Revision der lois Pasqua ankündigte.<br />

Die Besetzung eines Kirchengebäudes - es gab auch anderswo „Saint-Bernards“ - ist<br />

eine moderne Abwandlung des mittelalterlichen kirchlichen <strong>Asylrecht</strong>s. 142 Dennoch ist<br />

<strong>Kirchenasyl</strong> in Frankreich selten <strong>und</strong> spielte bislang nur eine unbedeutende Rolle. 143 Im<br />

Zusammenhang mit der Besetzung der Kirche Saint-Bernard wurde der Begriff des<br />

<strong>Kirchenasyl</strong>s in den französischen Medien nicht benutzt. So kritisierte man nicht so sehr<br />

die Tatsache, dass die Polizei in kirchliche Räume eingedrungen ist, sondern vielmehr die<br />

Unnachgiebigkeit der Regierung bezüglich der Erteilung von Aufenthaltstiteln. Im<br />

Vordergr<strong>und</strong> stand die Frage der Legalisierung der sans-papiers, eine Änderung der<br />

restriktiven Politik. Das <strong>Kirchenasyl</strong> von Saint-Bernard war damit Teil einer politischen<br />

Kampagne, die in ganz Frankreich für die sans-papiers geführt wurde.<br />

Wenn <strong>im</strong> laizistischen Frankreich die Polizei grds. keine Scheu davor hat, kirchliche<br />

Räume - falls aus ihrer Sicht nötig - zu stürmen, dann wird hieran verständlich, warum<br />

<strong>Kirchenasyl</strong> in Frankreich keine größere Bedeutung entfalten konnte.<br />

II. Definition des <strong>Kirchenasyl</strong>s<br />

142 Blume, AWR-Bulletin 1996, S. 205.<br />

143 Klein, <strong>Asylrecht</strong> in Frankreich <strong>und</strong> Deutschland - Ein Vergleich, S. 49.<br />

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