03.12.2012 Aufrufe

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

sog. Wegweisung abgelehnter Asylbewerber zu verhindern. Es wird argumentiert, der<br />

Vollzug der Wegweisungen gefährde Menschenleben; daher seien Notstandshilfe oder gar<br />

ein Widerstandsrecht gegen staatliche Verfügungen legit<strong>im</strong>. 122 Dabei beruht die<br />

Aufnahme von Flüchtlingen durch Kirchengemeinden in erster Linie auf einer anderen<br />

Einschätzung der Gefährdung der Flüchtlinge in den Herkunftsstaaten. 123<br />

In strafrechtlicher Hinsicht ist folgendes herauszustellen:<br />

Ein kirchliches Gremium oder eine Einzelperson wie etwa der Ortspfarrer sind nicht<br />

verpflichtet, weltlichen Behörden die Anwesenheit abgewiesener Asylbewerber oder<br />

anderer Schutzsuchender anzuzeigen. 124 <strong>Kirchenasyl</strong> Gewährende können allerdings u.U.<br />

die Tatbestände der Begünstigung (Art. 305 schweizerisches StGB) <strong>und</strong> der Hinderung<br />

einer Amtshandlung (Art. 286 schweizerisches StGB) verwirklichen. 125 Theler 126 geht<br />

davon aus, dass Rechtfertigungsgründe (insbesondere die Notstandshilfe nach Art. 34 Nr.<br />

2 schweizerisches StGB) gr<strong>und</strong>sätzlich nicht in Betracht kommen. Allerdings bestehe<br />

Aussicht auf Anerkennung der Notstandshilfe dann, wenn der Pfarrer (oder ein anderer<br />

Flüchtlingshelfer) nachweisen könne oder gewichtige Gründe hatte anzunehmen, seine<br />

eigenen Informationen über die Verfolgungslage gegenüber einem auszuschaffenden (=<br />

abzuschiebenden) Asylbewerber seien besser <strong>und</strong> zuverlässiger als jene der staatlichen<br />

Behörden. 127 Im Falle der Bestrafung dürften regelmäßig „achtenswerte Beweggründe“<br />

(Art. 64 schweizerisches StGB) zugestanden werden, was zu einer Strafmilderung führt. 128<br />

Neben dem Strafgesetzbuch sieht auch das B<strong>und</strong>esgesetz über Aufenthalt <strong>und</strong><br />

Niederlassung der Ausländer (ANAG) in Art. 23 Abs. 1, 5. Spiegelstrich eine<br />

Strafbest<strong>im</strong>mung vor, die bei der Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> einschlägig sein kann.<br />

Danach kann derjenige mit Geldbuße oder Gefängnis bestraft werden, der <strong>im</strong> „In- oder<br />

Ausland die rechtswidrige Ein- oder Ausreise oder das rechtswidrige Verweilen <strong>im</strong> Lande<br />

erleichtert oder vorbereiten hilft“. 129 Tatsächlich wurden die Gründer der AAA wegen<br />

(so die Antwort in der Fragest<strong>und</strong>e des schweizerischen Nationalrats vom 19.6.1995), NZZ v. 20.6.1995,<br />

S. 17.<br />

122 Vgl. Werenfels, S. 112. „<strong>Kirchenasyl</strong>“ könne durchaus auch eine Form des Widerstands meinen, wenn<br />

dadurch Menschen dem Zugriff behördlicher Gewalt entzogen, etwa abgewiesene Asylbewerber vor der<br />

drohenden Ausschaffung bewahrt werden sollten (s. Schweizerischer Evangelischer Kirchenb<strong>und</strong> (SEK) (Hrsg.),<br />

Widerstand? Christen, Kirchen <strong>und</strong> Asyl, S. 91). Vgl. auch Theler, <strong>Kirchenasyl</strong> als eine Form des<br />

Widerstandes: ein historischer Überblick, in: Beck Kad<strong>im</strong>a/Huot (Hrsg.), Kirche <strong>und</strong> Asyl, S. 27 ff. <strong>und</strong><br />

Bühler, Die ethischen Kriterien des Widerstandes, in: Beck Kad<strong>im</strong>a/Huot (Hrsg.), a.a.O., S. 35 ff. sowie<br />

Friederich, Widerstand, Staat <strong>und</strong> Recht, in: Beck Kad<strong>im</strong>a/Huot (Hrsg.), a.a.O., S. 61 ff.<br />

123 Werenfels, S. 113.<br />

124 So Theler (S. 58) mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Schweizerischen B<strong>und</strong>esgerichts.<br />

125 Theler, S. 58 f.<br />

126 S. 60.<br />

127 Theler, S. 60, mit Hinweisen auf entsprechende Urteile in den Fußnoten. Peter (S. 6, Fn. 10) n<strong>im</strong>mt<br />

rechtfertigende Notstandshilfe dann an, wenn die Gefahren objektiv bestanden haben <strong>und</strong> ein<br />

Auszuschaffender an Leben oder Gut wesentlich gefährdet war.<br />

128 Vgl. Theler, S. 61.<br />

129 Zit. nach: Theler, S. 61. Vgl. zur strafrechtlichen Beurteilung auch die ausführliche Stellungnahme von<br />

Ulrich Friederich, Notstand <strong>und</strong> Notstandshilfe in Zusammenhang mit rechtswidrigem Verweilen <strong>im</strong> Land<br />

24

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!