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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Nach alledem erscheint die Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> als regelmäßig von der<br />

Glaubensfreiheit erfasst.<br />

b) Gewissensfreiheit<br />

Neben der religiös begründeten, christlichen Beistandspflicht kann die Gewährung von<br />

<strong>Kirchenasyl</strong> auch Ausübung der Gewissensfreiheit sein. 100<br />

Das BVerfG hat „Gewissen“ als „ein real erfahrbares seelisches Phänomen“<br />

verstanden, „dessen Forderungen, Mahnungen <strong>und</strong> Warnungen für den Menschen<br />

unmittelbar evidente Gebote unbedingten Sollens sind“. 101<br />

Wie auch die Glaubensfreiheit, so schützt auch die Gewissensfreiheit nicht nur das<br />

forum internum, sondern ebenso das forum externum.<br />

Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche, das heißt an den Kategorien von<br />

Gut <strong>und</strong> Böse orientierte Entscheidung, die der einzelne in einer best<strong>im</strong>mten Lage als für<br />

sich bindend <strong>und</strong> unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht<br />

ohne ernste Gewissensnot handeln könnte. 102<br />

Eine Gewissensentscheidung setzt nach Ansicht des BVerfG „den Charakter eines<br />

unabweisbaren, den Ernst eines die ganze Persönlichkeit ergreifenden sittlichen Gebots“<br />

voraus. 103<br />

Die Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz <strong>und</strong> des Rats der Evangelischen<br />

Kirche in Deutschland haben sich Anfang März 1994 in einer Gemeinsamen Erklärung<br />

zur Praxis von Abschiebungen <strong>und</strong> zur Aufnahme von Flüchtlingen geäußert, weil sie<br />

„beunruhigt <strong>und</strong> besorgt sind über die drohenden Abschiebungen von Flüchtlingen in<br />

Länder, in denen sie um Leib <strong>und</strong> Leben fürchten müssen.“ 104 Zur Frage der Hilfe für<br />

von Abschiebung bedrohte Ausländer erklärten die Bischöfe, zunehmend seien Bürger<br />

unseres Landes in ihrem Gewissen schwer belastet, da sie von der Bedrohung dieser<br />

Menschen an Leib <strong>und</strong> Leben in ihrem He<strong>im</strong>atland überzeugt seien. Nicht wenige<br />

gerieten bei ihrem Einsatz für Flüchtlinge in einen ernsten Konflikt zwischen der<br />

Bindung ihres Gewissens <strong>und</strong> ihrer Treue zum Gesetz. 105 Noch deutlicher Klaus Engelhardt<br />

in seinem Bericht zur Lage auf der Früjahrstagung der Landessynode der Evangelischen<br />

Landeskirche in Baden vom 25.4.1994: „Es kann Situationen geben, in denen Christen nach<br />

100 Ausführlich zur Gewissensfreiheit Herdegen, in: Listl/Pirson (Hrsg.), HdbStKirchR, Bd. 1, S. 481 ff.<br />

101 BVerfGE 12, 45 ff., 54 (Kriegsdienstverweigerung).<br />

102 Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.), Katholischer Erwachsenen-Katechismus, 2. Bd., S. 141, <strong>im</strong> Anschluss an<br />

die Rechtsprechung des BVerfG in BVerfGE 12, 45 ff., 55 (Kriegsdienstverweigerung) <strong>und</strong> BVerfGE 23,<br />

191 ff., 205 (Zivildienstverweigerung).<br />

103 BVerfGE 12, 45 ff., 55.<br />

104 Vgl. ZAR Aktuell v. 10.4.1994, S. 1. Vgl. auch die beiden kritischen Berichte „Asylsuchende <strong>und</strong><br />

Flüchtlinge“, zur Praxis des Asylverfahrens <strong>und</strong> des Schutzes vor Abschiebung, 1994 <strong>und</strong> 1995 hrsgg. vom<br />

Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), EKD-Texte Nr. 51 <strong>und</strong> 55.<br />

105 Vgl. ZAR Aktuell v. 10.4.1994, S. 1.<br />

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