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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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nach Maßgabe der gr<strong>und</strong>gesetzlichen Wertordnung <strong>und</strong> unter Berücksichtigung der<br />

Einheit dieses gr<strong>und</strong>legenden Wertsystems zu lösen.<br />

Selbst wenn man dennoch die Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung als<br />

verfassungs<strong>im</strong>manente Schranke des Art. 4 GG ansehen würde, führte dies nicht dazu,<br />

dass diese staatstragenden Gemeinschaftswerte eine Berufung auf die Religions- <strong>und</strong><br />

Gewissensfreiheit a priori verhindern könnten. Vielmehr müssen auch hier die<br />

kollidierenden Rechtsgüter abgewogen werden <strong>und</strong> möglichst zu schonendem Ausgleich<br />

gebracht werden. 187 Denn es gilt in jedem Einzelfall zu überprüfen, welches<br />

Verfassungsgut Vorrang genießt. 188<br />

Dabei ist es aber m.E. gerade ausgeschlossen, dass ein bloßer Einzelfall die<br />

Rechtsordnung an sich <strong>und</strong> deren Funktionsfähigkeit in Frage stellt. Der innere<br />

Widerspruch dieses Ansatzes lässt sich also nicht dadurch auflösen, dass <strong>im</strong> jeweiligen<br />

Fall zwischen der Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung <strong>und</strong> der Glaubens- <strong>und</strong><br />

Gewissensfreiheit eine Abwägung vorgenommen wird. Zudem bedarf es eines derartigen<br />

Generalvorbehaltes der Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung nicht. 189 Denn das<br />

<strong>Rechtsstaat</strong>sprinzip (insbesondere die Rechtssicherheit) als verfassungs<strong>im</strong>manente<br />

Schranke umfasst gerade auch die Fälle, die die Befürworter eines „Vorbehalts der<br />

Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung“ <strong>im</strong> Auge haben.<br />

Schließlich macht die relativ geringe Zahl an <strong>Kirchenasyl</strong>-Gewährungen offenbar, dass<br />

durch sie die Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung nicht in Gefahr geraten kann.<br />

dd) Ergebnis<br />

Durch die Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> wird der <strong>Rechtsstaat</strong> nicht in Frage gestellt. 190<br />

Ein Verstoß gegen das <strong>Rechtsstaat</strong>sprinzip kann daher nicht festgestellt werden.<br />

e) Verstoß gegen das Demokratieprinzip?<br />

Als Verstoß gegen das Demokratieprinzip kommt lediglich in Betracht, dass das<br />

Mehrheitsprinzip verletzt wird. Es wird argumentiert, die Asyl- <strong>und</strong><br />

Ausländergesetzgebung sei von der Mehrheit des B<strong>und</strong>estages verabschiedet worden, das<br />

<strong>Asylrecht</strong> (Art. 16 a GG) sogar von der für die Gr<strong>und</strong>gesetzänderung nötigen<br />

187 Vgl. Hübner, In der Spannung zwischen Recht <strong>und</strong> kirchlichem Auftrag - „<strong>Kirchenasyl</strong>“ aus (kirchen-<br />

)rechtlicher Perspektive, in: Evangelische Akademie Mülhe<strong>im</strong>/Ruhr (Hrsg.), <strong>Kirchenasyl</strong> in der Spannung<br />

zwischen Recht <strong>und</strong> kirchlichem Auftrag, S. 14 ff., 19. Ausführlich zur Güterabwägung Rothkegel, ZAR<br />

1997, S. 128 f.<br />

188 Vgl. auch Robbers, AöR 113 (1988), S. 45.<br />

189 Auch Bayer (S. 255) erscheint der Begriff der „Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung“ sehr unscharf; aus<br />

seiner Sicht birgt er die Gefahr eines allgemeinen Gesetzesvorbehaltes in sich.<br />

190 So auch der Richter am B<strong>und</strong>esgerichtshof Joach<strong>im</strong> Wenzel, in: DRiZ 1995, S. 12.<br />

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