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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Was ist nun aber der rechtliche Gehalt der oftmals plakativ geäußerten Behauptungen<br />

wie: „die Kirche(n) ist/sind kein rechtsfreier Raum“ 14, „heute gibt es kein kirchliches<br />

<strong>Asylrecht</strong> mehr“ 15, „<strong>Kirchenasyl</strong> verstößt gegen den modernen <strong>demokratischen</strong><br />

<strong>Rechtsstaat</strong>“ 16, „<strong>Kirchenasyl</strong> ist Rechtsbruch“ 17, „<strong>Kirchenasyl</strong> führt Kirchen <strong>und</strong> Staat in<br />

eine Konfrontation“ 18 <strong>und</strong> „ein Staat, der <strong>Kirchenasyl</strong> hinn<strong>im</strong>mt, gibt sich selbst auf“ 19?<br />

Und andererseits: was ist davon zu halten, wenn gesagt wird: „<strong>Kirchenasyl</strong> ist praktizierte<br />

christliche Beistandspflicht“ 20, „<strong>Kirchenasyl</strong> kann als ult<strong>im</strong>a ratio bei <strong>im</strong> Falle der<br />

Abschiebung drohenden Gefahren für Leib <strong>und</strong> Leben in Betracht kommen“ 21,<br />

„<strong>Kirchenasyl</strong> ist subsidiärer Menschenrechtsschutz“ 22, <strong>Kirchenasyl</strong> ist die „Durchsetzung<br />

von versagtem Recht“ 23, „<strong>Kirchenasyl</strong> verhilft dem Recht zum Recht“ 24, „<strong>Kirchenasyl</strong> ist<br />

ein Beitrag zum Rechtsfrieden“ 25 <strong>und</strong> „kein Rechtsverstoß“ 26, „ein auch für den<br />

14 So z.B. der ehemalige Innenminister Kanther, SZ v. 31.5./1.6.1997, S. 5, aber auch Vertreter der Kirchen,<br />

vgl. schon 1986 die Evangelische Kirche in Deutschland: Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland<br />

(EKD) (Hrsg.), Flüchtlinge <strong>und</strong> Asylsuchende in unserem Land, EKD-Texte Nr. 16, S. 34.<br />

15 Vgl. auch Doehring, S. 117: „Es besteht kein Recht der Kirchen, Asyl zu gewähren ...“.<br />

16 v. Münch (NJW 1995, S. 565 f., 566) bezeichnet die Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> als ein „antirechtsstaatliches<br />

Handeln“. Dagegen z.B. der ehemalige Innenminister von Baden-Württemberg Frieder<br />

Birzele: „Viele Konservative behaupten zu Unrecht, der <strong>Rechtsstaat</strong> werde durch <strong>Kirchenasyl</strong> in Frage<br />

gestellt.“, in: Evangelische Akademie Bad Boll (Hrsg.), Staat <strong>und</strong> Kirche. Recht <strong>und</strong> Religion, S. 133, <strong>und</strong><br />

Winter, KuR 1995, S. 40.<br />

17 So Bayerns Innenminister Beckstein, vgl. FAZ v. 7.7.1997, S. 5. Der frühere B<strong>und</strong>esjustizminister Schmidt-<br />

Jortzig meinte, die Kirchen würden mit ihrem Votum zum <strong>Kirchenasyl</strong> <strong>im</strong> „Gemeinsamen Wort der<br />

Kirchen zu den Herausforderungen durch Flucht <strong>und</strong> Migration“ Rechtsbruch Vorschub leisten, vgl. FAZ<br />

v. 26.9.1997, S. 8. Doehring (S. 117) schreibt, die Kirchen handelten <strong>im</strong> Sinne der Verfassung schlechthin<br />

rechtswidrig. Ebenso Scholz, in: Pax Christi - Deutsches Sekretariat/B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Asyl in der<br />

Kirche/Pro Asyl e.V., Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge (Hrsg.), Auflehnung gegen Unmenschlichkeit, S. 55 f.<br />

Noch einen Schritt weiter geht Peißl, BayVBl. 1999, S. 139: <strong>Kirchenasyl</strong> „ist aber nicht nur rechtswidrig, es<br />

ist auch unmoralisch <strong>und</strong> unchristlich.“<br />

18 So ebenfalls der bayerische Innenminister Beckstein, vgl. FAZ v. 7.7.1997, S. 5.<br />

19 Vgl. Erwin Marschewski, „<strong>Kirchenasyl</strong>“ will den Staat aushebeln, in: Die Welt v. 13.8.96. Pointiert: Isensee, in:<br />

Listl/Pirson (Hrsg.), HdbStKirchR, Bd. 2, S. 735: „Der Verfassungsstaat gäbe sein F<strong>und</strong>ament der säkularen<br />

Allgemeinheit preis, wenn er das Recht seiner Gebietshoheit der Disposition kirchlicher Stellen anhe<strong>im</strong>gäbe <strong>und</strong> duldete, daß<br />

diese das Ergebnis demokratischer <strong>und</strong> rechtsstaatlicher Verfahren torpedierten, etwa durch die Anmaßung, ein<br />

„<strong>Kirchenasyl</strong>“ zu prästieren.“<br />

20 These 1 der zehn vom Rat der EKD am 9./10. September 1994 herausgegebenen Thesen zum <strong>Kirchenasyl</strong><br />

(„Beistand ist nötig, nicht Widerstand“) lautet: „Es gibt eine christliche Beistandspflicht“, s. KLD-Brief<br />

ausländische Flüchtlinge Nr. 25 v. 20. September 1994, S. 1 <strong>und</strong> Osthövener (Hrsg.), Dokumente zum<br />

kirchlichen Zeitgeschehen, S. 108.<br />

21 Z.B. Huber, ZAR 1988, S. 158; ders., in: Barwig/Bauer (Hrsg.), S. 99 ff., 111.<br />

22 Reuter, Subsidiärer Menschenrechtsschutz: Bemerkungen zum <strong>Kirchenasyl</strong> aus protestantischer Sicht, ZRP<br />

1996, S. 97 ff., 100; ders., <strong>Kirchenasyl</strong> <strong>und</strong> staatliches <strong>Asylrecht</strong>, in: Rau/Reuter/Schlaich (Hrsg.), Das Recht<br />

der Kirche, Bd. III, S. 598.<br />

23 Uihlein, <strong>Rechtsstaat</strong> retten, in: Caritas 95 (1994), S. 289.<br />

24 Walter Steinmaier vom Ökumenischen Asylnetz Bayern, zit. nach SZ v. 21.2.1995, S. 37; Just, Bewertung des<br />

Untersuchungsberichts, in: Ökumenische B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (Hrsg.), Zufluchtsort<br />

Kirche, S. 24 ff., 25.<br />

25 So der Bischof der evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, vgl. SZ v. 16.1.1995, S. 6.<br />

Ebenso das Gemeinsame Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration <strong>und</strong> Flucht, s.<br />

Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland / Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.),<br />

Gemeinsames Wort, Nr. 257, S. 100: „... Beitrag zum Erhalt des Rechtsfriedens <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>werte<br />

unserer Gesellschaft“; vgl. zum Gemeinsamen Wort auch SZ v. 5./6.7.1997, S. 9, KLD-Brief ausländische<br />

Flüchtlinge Nr. 20 v. 4. August 1997 <strong>und</strong> Publik-Forum Nr. 14 v. 25. Juli 1997, S. 14 f. 1998 wurde eine<br />

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