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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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1. <strong>Kirchliches</strong> <strong>Asylrecht</strong> nach can. 1179 CIC/1917<br />

Can. 1179 CIC/1917 lautet: 219 „Die Kirchen genießen auch das <strong>Asylrecht</strong>. Das <strong>Asylrecht</strong> hat<br />

zur Folge, daß Missetäter, die in die Kirche geflüchtet sind, für gewöhnlich nicht herausgeholt werden<br />

dürfen, ohne daß der Ordinarius oder wenigstens der Kirchenrektor seine Zust<strong>im</strong>mung gegeben hat. Eine<br />

Ausnahme ist nur in einem dringenden Notfall zulässig.“ 220<br />

Obgleich die weltliche Macht dem kirchlichen <strong>Asylrecht</strong> sehr viel früher seine<br />

Anerkennung versagte, hielt die Kirche auch noch <strong>im</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ert formell an diesem<br />

Rechtsinstitut fest. 221<br />

Nach dieser Best<strong>im</strong>mung konnte die Kirche verlangen, dass zur Herausholung des<br />

Straftäters die Zust<strong>im</strong>mung der Geistlichkeit eingeholt werde <strong>und</strong> nur <strong>im</strong> Falle dringender<br />

Notwendigkeit eine Verhaftung erfolge. Die weltliche Gewalt konnte auch unter dieser<br />

Regelung argumentieren, dass bei der Verfolgung des Verbrechers <strong>im</strong>mer ein dringender<br />

Notfall vorliege. Can. 1179 CIC/1917 forderte allerdings für den in die Kirche<br />

Geflüchteten weder Straflosigkeit noch Strafmilderung, die vom Staat auch nicht gewährt<br />

wurden. 222<br />

a) Örtlicher Schutzbereich<br />

<strong>Asylrecht</strong> genoss jede geweihte Kirche, auch wenn sie für den Gottesdienst gesperrt war;<br />

zudem ist „Kirche“ hier <strong>im</strong> weiten Sinne zu verstehen: umfasst sind auch die Vorhalle, die<br />

Pforte, die Außenwand <strong>und</strong> der Turm. 223<br />

Öffentliche Kapellen genießen ebenfalls kirchliches <strong>Asylrecht</strong>. Denn nach can. 1191 § 1<br />

CIC/1917 findet auf sie das Recht Anwendung, das für die Kirchen gilt, so dass can. 1179<br />

CIC/1917 aufgr<strong>und</strong> dieser Verweisung auch auf öffentliche Kapellen anwendbar ist. 224<br />

Halböffentliche Kapellen nach can. 1192 f. CIC/1917 dagegen besaßen kein <strong>Asylrecht</strong>, 225<br />

<strong>und</strong> zwar auch dann, wenn sie geweiht waren. 226<br />

219 Lateinischer Originaltext: „Ecclesia iure asyli gaudet ita ut rei, qui ad illam confugerint, inde non sint extrahendi, nisi<br />

necessitas urgeat, sine assensu Ordinarii, vel saltem rectoris ecclesiae.“, in: Papst Benedikt XV. (Hrsg.), Codex Iuris<br />

Canonici, S. 306.<br />

220 Übersetzung nach Jone, II. Bd., S. 427; vgl. auch Eichmann/Mörsdorf, II. Bd., S. 315 f.; Riedel-Spangenberger, in:<br />

v. Campenhausen / Riedel-Spangenberger / Sebott (Hrsg.), Lexikon für Kirchen- <strong>und</strong> Staatskirchenrecht, Bd. 1,<br />

S. 174 f.<br />

221 Vgl. Reale, S. 492 f.<br />

222 Vgl. Mittermeier, S. 38.<br />

223 Eichmann/Mörsdorf, II. Bd., S. 316. Ebenso Caron, Asilo (diritto di), III) Diritto Canonico, in: Enciclopedia<br />

giuridica (Treccani), Bd. III, 1988, S. 1 f., allerdings mit der Erweiterung, dass auch nicht geweihte Kirchen<br />

Schutz boten, wenn sie aufgr<strong>und</strong> eines bischöflichen Dekrets errichtet worden waren <strong>und</strong> zur Feier des<br />

Gottesdienstes best<strong>im</strong>mt waren.<br />

224 Vgl. auch Coronata, S. 45.<br />

225 Vgl. Eichmann/Mörsdorf, II. Bd., S. 333.<br />

226 Coronata, S. 81.<br />

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