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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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aus der Türkei“ folgendermaßen Stellung: 48 „Der Petitionsausschuß beschäftigte sich sehr<br />

intensiv mit dem Fall einer Familie mit türkischer Staatsangehörigkeit <strong>und</strong> kurdischer<br />

Volkszugehörigkeit, die in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland um die Gewährung von Asyl bat.<br />

Der Familienvater hatte unter anderem vorgetragen, er sei in der Türkei Ende Dezember 1990 als<br />

mutmaßlicher Sympathisant der PKK für 17 Tage inhaftiert <strong>und</strong> schwer gefoltert worden. Das<br />

B<strong>und</strong>esamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) hatte die Asylanträge als<br />

offensichtlich unbegründet abgelehnt <strong>und</strong> auch das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53<br />

AuslG verneint. Ein später gestellter Asylfolgeantrag wurde vom BAFl gleichfalls abgelehnt. Zur<br />

Begründung führte das BAFl unter anderem aus, ein Mitglied oder Unterstützer der terroristischen PKK<br />

habe gr<strong>und</strong>sätzlich keinen Anspruch auf Asyl. Darüber hinaus sei der Vortrag des Familienvaters<br />

unglaubhaft; die von ihm vorgelegten Dokumente (Haftbefehl, Anklageschrift <strong>und</strong> Vorladungsschreiben)<br />

seien gefälscht.<br />

Die gegen die Bescheide bzw. gegen die Abschiebungsanordnung eingeleiteten Gerichtsverfahren blieben<br />

bis hin zum B<strong>und</strong>esverfassungsgericht letztlich ohne Erfolg. 49 Um der drohenden Abschiebung zu<br />

entgehen, begaben sich die Petenten zunächst in <strong>Kirchenasyl</strong> <strong>und</strong> reisten Ende 1995 in die Niederlande<br />

aus.<br />

Bei seiner parlamentarischen Prüfung kam der Ausschuß zu dem Ergebnis, daß die Entscheidungen<br />

des BAFl zu beanstanden waren. So setzte sich der Asylerstbescheid zwar recht ausführlich mit der<br />

allgemeinen Lage in der Türkei auseinander, behandelte dann aber das konkrete Vorbringen der<br />

Petenten nur äußerst knapp <strong>und</strong> ging auf die behaupteten Folterungen nicht ein, obwohl entsprechende<br />

ärztliche Atteste dafür vorlagen. Anders als das BAFl hielt der Ausschuß den Vortrag der Petenten<br />

auch keineswegs für zu vage <strong>und</strong> widersprüchlich. Die Meinung des BAFl, daß Mitglieder <strong>und</strong><br />

Unterstützer der PKK pauschal keinen Anspruch auf Asyl bzw. Abschiebungsschutz hätten, war nach<br />

Ansicht des Ausschusses in dieser allgemeinen Form rechtlich nicht haltbar. 50 Entsprechend hatte sich<br />

zuvor bereits der UNHCR gegenüber dem Ausschuß geäußert, der darin einen Verstoß gegen die Genfer<br />

Flüchtlingskonvention sah.<br />

48 Deutscher B<strong>und</strong>estag, Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.), Zur Sache 3/97, S. 86 f. (allerdings ohne<br />

Namensnennung). Vgl. dazu auch Pro Asyl (Hrsg.), Der Einzelfall zählt. Tag des Flüchtlings 1996, S. 24 f.<br />

49 S. die aufschlussreichen Entscheidungen des BVerfG: Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom<br />

9.2.1995 (einstweilige Anordnung gegen die drohende Abschiebung bei nicht hinreichend ausgeräumter<br />

Suizidgefahr), NVwZ-Beilage 1995, S. 49 f. sowie Beschluss des Zweiten Senats vom 23.3.1995 (zum<br />

Anspruch auf Schutz vor einer Abschiebung in die Türkei wegen drohender Folter <strong>und</strong> Suizidgefahr sowie<br />

zur Relevanz des Briefwechsels zwischen dem türkischen Innenminister <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esminister des<br />

Innern über die Behandlung abgeschobener türkischer Staatsangehöriger bei der Einreise in die Türkei),<br />

NVwZ-Beilage 1995, S. 50 ff. = BVerfGE 92, 245 ff. = Huber (Hrsg.), Handbuch des Ausländer- <strong>und</strong><br />

<strong>Asylrecht</strong>s, Bd. II, Art. 16 a GG, 1 C, Nr. 10. Zu den beiden Entscheidungen des BVerfG ausführlich<br />

Roeser, EuGRZ 1996, S. 139 ff. („Das Verfahren der Familie S<strong>im</strong>sek“). Vgl. auch VGH Baden-<br />

Württemberg, Beschluss vom 29.12.1997 (InfAuslR 1998, S. 246 ff.): Unerheblichkeit des<br />

Anfrageverfahrens entsprechend dem Briefwechsel der Innenminister der Türkei <strong>und</strong> der BRD vom<br />

10.3.1995.<br />

50 Auch der 9. Senat des BVerwG differenziert in seinen Gr<strong>und</strong>satzurteilen vom 30. März 1999 (BVerwG 9<br />

C 22.98 (InfAuslR 1999, S. 371 ff.), 23.98 (InfAuslR 1999, S. 366 ff. = DVBl. 1999, S. 1209 ff.) <strong>und</strong> 31.98<br />

(DVBl. 1999, S. 1213 ff.)): PKK-Funktionäre hätten keinen Anspruch auf Asyl; dagegen entfiele ein<br />

Abschiebeschutz nicht, wenn Kurden nur an verbotenen Demonstrationen teilgenommen oder regelmäßig<br />

Geld für die PKK gespendet hätten bzw. nur Mitglieder der PKK seien, vgl. auch SZ vom 31.3.1999.<br />

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