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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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es ihm nicht um Härtefälle nach staatlichen Kriterien gehe, sondern um Härtefälle aus der<br />

Sicht der Kirche. 382<br />

Becksteins Kontingentlösung besteht also aus folgenden Eckpfeilern: 383 Die Kirchen<br />

erhalten ein jährliches Kontingent für die Aufnahme von Personen in die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland. Einerseits ist die Zahl vorgegeben, z.B. 1000 Personen. Andererseits findet<br />

eine inhaltliche Beschränkung statt. Zwar sollen die Kirchen grds. frei sein in der Auswahl<br />

der aufzunehmenden Menschen; jedoch darf die Aufnahme nicht gegen öffentliche<br />

Interessen verstoßen. Der persönliche Geltungsbereich ist also beschränkt; die<br />

Aufstellung von „casus excepti“ ist denkbar. Sämtliche Kosten sollen die Kirchen<br />

übernehmen.<br />

Die entscheidende Frage schneidet Beckstein <strong>im</strong> letzten Satz an: Handelt es sich um<br />

Menschen, die ausschließlich auf Initiative der Kirchen in Deutschland bleiben sollen?<br />

Dies <strong>im</strong>pliziert, dass diese Personen - abgesehen vom Kirchenkontingent - keine<br />

Aufenthaltsmöglichkeit in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland hätten.<br />

Die Lösung kann daher grds. nur dahin gehen, dass alternativ zum Asylverfahren <strong>und</strong><br />

anderen ausländerrechtlichen Möglichkeiten eine Bleibemöglichkeit aufgr<strong>und</strong> des<br />

Kirchenkontingents geschaffen wird, durch das die dadurch aufgenommenen Menschen<br />

eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.<br />

Ausnahmsweise erscheint es aber auch angebracht, dass auch dann, wenn z.B. ein<br />

Asylverfahren erfolglos durchlaufen wurde, aber aus Sicht der Kirchen ein humanitärer<br />

Härtefall vorliegt, eine Aufnahme <strong>im</strong> Rahmen des Kirchenkontingents möglich ist. Wie<br />

Bayerns Innenminister Beckstein ausdrücklich erwähnt, käme ein Kirchenkontingent z.B.<br />

für syrisch-orthodoxe Christen aus der Türkei in Frage, deren Asylantrag abgelehnt<br />

wurde. 384 Die Kirchen wären dann aber nicht etwa darauf festgelegt, nur Christen<br />

aufzunehmen.<br />

Der Vorschlag Becksteins wurde von den Kirchen mit Zurückhaltung aufgenommen. 385<br />

Der evangelisch-lutherische Landesbischof von Bayern, Hermann von Loewenich, sagte, in<br />

382 Bayerischer Landtag, Plenarprotokoll 13/27 v. 20.7.1995, S. 1934.<br />

383 Vgl. auch Der Spiegel Nr. 29/1995, S. 36: „Asyl vom Sponsor“, SZ v. 14.7.1995, S. 8 <strong>und</strong> SZ v.<br />

15./16.7.1995, S. 4: „Becksteins Schacher unter dem Kreuz“.<br />

384 Hierfür spricht auch eine Äußerung des Geschäftsführers des Diakonischen Werks in Augsburg von<br />

Anfang 1995: die Kirche könne nicht zulassen, dass Glaubensbrüder zwangsweise in die Türkei<br />

zurückgeschickt würden, wo sie massiver Verfolgung ausgesetzt seien, vgl. SZ v. 15.2.1995, S. 51. Neben<br />

syrisch-orthodoxen Christen könnten auch armenische Christen einbezogen werden.<br />

385 Dazu ausführlich: Kleine-Brockhoff, Heikles Angebot. Ein Innenminister <strong>und</strong> das <strong>Kirchenasyl</strong>, in: Die Zeit v.<br />

21.7.1995, S. 4. Vgl. zu den verschiedenen Reaktionen auch v. Münch, NJW 1995, S. 2271 f. Ende<br />

September 1995 lehnten die katholischen Bischöfe der sieben bayerischen Diözesen den<br />

Kontingentvorschlag ab.<br />

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