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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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in der Abschiebung ein Eingriff in das Gr<strong>und</strong>recht der <strong>Kirchenasyl</strong> Gewährenden gem.<br />

Art. 4 GG liegt.<br />

c) Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels oder einer Duldung<br />

Die Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels (z.B. einer Aufenthaltsbefugnis oder einer<br />

Aufenthaltserlaubnis) oder einer Duldung könnte nur dann einen Eingriff darstellen,<br />

wenn auch Unterlassungen Eingriffe darstellen könnten. Umgekehrt formuliert müsste<br />

das Gr<strong>und</strong>recht des Art. 4 GG als Leistungsrecht ausgestaltet sein. Das BVerfG ist<br />

allgemein sehr zurückhaltend mit der Gewährung von Leistungs- <strong>und</strong> Teilhaberechten<br />

aufgr<strong>und</strong> von Gr<strong>und</strong>rechten. 114 Dennoch erscheint es nicht ausgeschlossen, dass dem <strong>im</strong><br />

<strong>Kirchenasyl</strong> befindlichen Flüchtling aufgr<strong>und</strong> der Glaubens- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit der<br />

<strong>Kirchenasyl</strong> Gewährenden ein Aufenthaltstitel oder zumindest eine Duldung erteilt<br />

werden muss. Im Sinne des weiten Eingriffsbegriffs sprechen mehr Gesichtspunkte dafür,<br />

einen Eingriff zu bejahen <strong>und</strong> auf der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung<br />

zu prüfen, ob die Behörde tatsächlich verpflichtet ist, einen Aufenthaltstitel oder eine<br />

Duldung zu erteilen.<br />

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs - praktische Konkordanz<br />

Erst bei der gründlichen Untersuchung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der<br />

möglichen Eingriffe in das Gr<strong>und</strong>recht der Glaubens- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit nach Art. 4<br />

GG zeigt sich, welche Schutzwirkungen der Art. 4 GG <strong>im</strong> Zusammenhang mit der<br />

Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> überhaupt entfalten kann. Es ist daher zu fragen, ob die<br />

Eingriffe in die Glaubens- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt<br />

werden können.<br />

Das BVerfG stellte in einem Beschluss vom 26. Mai 1970 klar: 115 „Nur kollidierende<br />

Gr<strong>und</strong>rechte Dritter <strong>und</strong> andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte sind mit Rücksicht auf<br />

die Einheit der Verfassung <strong>und</strong> die von ihr geschützte gesamte Wertordnung ausnahmsweise <strong>im</strong>stande,<br />

auch uneinschränkbare Gr<strong>und</strong>rechte in einzelnen Beziehungen zu begrenzen.“ Dabei auftretende<br />

Konflikte ließen sich nur lösen, indem ermittelt werde, welche Verfassungsbest<strong>im</strong>mung<br />

für die konkret zu entscheidende Frage das höhere Gewicht habe. Die schwächere Norm<br />

dürfe nur so weit zurückgedrängt werden, wie das logisch <strong>und</strong> systematisch zwingend<br />

erscheine; ihr sachlicher Gr<strong>und</strong>wertgehalt müsse in jedem Fall respektiert werden. 116<br />

114 Vgl. Pieroth/Schlink, Gr<strong>und</strong>rechte Staatsrecht II, Rn. 60 ff. m. w. Nachw.<br />

115 BVerfGE 28, 243 ff., 244 (Kriegsdienstverweigerung), Leitsatz 2.<br />

116 BVerfGE 28, 243 ff., 261.<br />

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