03.12.2012 Aufrufe

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

) „Erfolgsquote“<br />

Die B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ gab <strong>im</strong> Jahre 1996 ihre viel<br />

beachtete empirische Untersuchung „Zufluchtsort Kirche - Eine empirische<br />

Untersuchung über Erfolg <strong>und</strong> Mißerfolg von <strong>Kirchenasyl</strong>“ heraus. 105 Sie wertet<br />

insbesondere die Antworten einer repräsentativen Umfrage bei den <strong>Kirchenasyl</strong><br />

gewährenden Gemeinden aus. Damit konnten knapp über die Hälfte (124) der in den<br />

Jahren 1989 bis 1995 bekannt gewordenen <strong>Kirchenasyl</strong>e (232) einbezogen werden, <strong>und</strong><br />

ca. 90 % der erfassten <strong>Kirchenasyl</strong>e der Jahre 1993 bis 1995. Die BAG Asyl in der Kirche<br />

spricht in ihrer Studie aus dem Jahre 1996 von einer Erfolgsquote von 70 %, da „in 70 %<br />

der <strong>Kirchenasyl</strong>e Abschiebungen gerichtlich untersagt oder von Ausländerbehörden<br />

ausgesetzt wurden“. 106 Zuvor hatte es Schätzungen gegeben, in ca. 80 % der Fälle würde<br />

das <strong>Kirchenasyl</strong> erfolgreich sein <strong>und</strong> Flüchtlinge vor Abschiebung schützen. Flüchtlinge<br />

von acht <strong>Kirchenasyl</strong>en wurden als politisch Verfolgte (Gr<strong>und</strong>recht auf Asyl) anerkannt.<br />

Der erste Asylbewerber in Bayern, der nach einem <strong>Kirchenasyl</strong> offiziell als<br />

Asylberechtigter anerkannt wurde, ist der christliche Türke Semun Oguz, dem die<br />

evangelische Kirchengemeinde St. Ulrich in Augsburg 1995 ein halbes Jahr lang<br />

<strong>Kirchenasyl</strong> gewährt hatte. 107<br />

Auch wenn die Studie des Jahres 1996 repräsentativ ist, muss dennoch vorsichtig mit<br />

den Zahlen umgegangen werden. Von „Erfolgsquote“ lässt sich nur sprechen, wenn sich<br />

ein direkter Zusammenhang zwischen der Entscheidung der staatlichen Behörden <strong>und</strong><br />

Gerichte <strong>und</strong> dem <strong>Kirchenasyl</strong> nachweisen lässt. Dies ist zum Beispiel dann der Fall,<br />

wenn die Abschiebung aufgr<strong>und</strong> der Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> nicht erfolgt ist. Auf der<br />

anderen Seite wird bei der Entscheidung über einen Asylfolgeantrag grds. nicht<br />

105 Vgl. dazu auch KLD-Brief ausländische Flüchtlinge Nr. 27 v. 12. Dezember 1996 <strong>und</strong> Herder<br />

Korrespondenz 1997, S. 61 f. Wolf-Dieter Just von der BAG Asyl in der Kirche meinte sogar (in: Evangelische<br />

Akademie Mülhe<strong>im</strong>/Ruhr (Hrsg.), <strong>Kirchenasyl</strong> in der Spannung zwischen Recht <strong>und</strong> kirchlichem Auftrag, S.<br />

62 ff., 72): „Keine Veröffentlichung der BAG war wirkungsvoller als diese.“<br />

106 Vogelskamp, Untersuchungsbericht: Können Kirchengemeinden Flüchtlinge schützen?, in: Ökumenische<br />

B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (Hrsg.), Zufluchtsort Kirche, S. 5 ff., 16. Kritisch zu dieser<br />

„Erfolgsquote“ Bell/Skibitzki, S. 9 ff., die sechzehn <strong>Kirchenasyl</strong>fälle (<strong>Kirchenasyl</strong>e für kurdische<br />

Asylbewerber) untersuchen. Leider ziehen sie - höchst fragwürdig <strong>und</strong> unwissenschaftlich - allgemeine<br />

(zum Teil juristische!) Schlüsse aus ihrer ausschließlich empirischen, allerdings nicht repräsentativen<br />

Untersuchung (vgl. z.B. S. 10 f. <strong>und</strong> S. 51 (<strong>Kirchenasyl</strong> als „Affront gegen den <strong>Rechtsstaat</strong>“) sowie S. 45<br />

(„null Prozent“ an Asyl-Anerkennungen „<strong>im</strong> Gegensatz zu den in der BAG-Studie benannten 12,7 %“)<br />

<strong>und</strong> S. 48 ff.) <strong>und</strong> polemisieren an manchen Stellen (z.B. auf S. 50: „Somit muß den Befürwortern von<br />

„<strong>Kirchenasyl</strong>“ die Frage gestellt werden, ob ihr Vorgehen bei der Auswahl nicht bereits inhuman ist.“).<br />

Vgl. zu Bell/Skibitzki einerseits Peißl, BayVBl. 1999, S. 137 ff., andererseits Just, ZAR 1999, S. 74 ff.<br />

<strong>Kirchenasyl</strong>e in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>im</strong> Zeitraum 1996 bis 2000 wurden in einer weiteren<br />

Studie erfasst; diese kommt zu dem Ergebnis, dass die hohen Erfolgswerte von 1996 bestätigt wurden <strong>und</strong><br />

in etwa 73% der Fälle Abschiebungen dauerhaft oder zumindest vorläufig verhindert werden konnten, s.<br />

Just/Sträter, in: Ökumenische B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ e.V. (Hrsg.), „Unter dem Schatten<br />

Deiner Flügel ...“ Eine empirische Untersuchung über Erfolg <strong>und</strong> Misserfolg von <strong>Kirchenasyl</strong>, 2001, S. 1<br />

ff.; kritisch dazu Stiehl, <strong>Kirchenasyl</strong> – eine Erfolgsgeschichte?, in: Der Einzelentscheider-Brief 10/01, S. 1f.<br />

107 FAZ v. 14.1.1998, S. 2; Just, ZAR 1999, S. 74.<br />

20

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!