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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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also ergeben, dass die Anwendung unmittelbaren Zwangs verhältnismäßig ist oder<br />

unverhältnismäßig.<br />

3. Ergebnis<br />

Nach dem bisherigen Ergebnis dürfte die Polizei also grds. <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Vollzugshilfe für die Ausländerbehörde die Räumlichkeiten des <strong>Kirchenasyl</strong>s durchsuchen<br />

<strong>und</strong> den Flüchtling abschieben. 31 Eine Grenze hierfür bildet allerdings § 167 Abs. 1 Nr. 1<br />

StGB (Störung der Religionsausübung), der denjenigen mit Freiheitsstrafe bis zu drei<br />

Jahren oder mit Geldstrafe bedroht, der den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche<br />

Handlung einer <strong>im</strong> Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft<br />

absichtlich <strong>und</strong> in grober Weise stört. 32 Jedenfalls dann, wenn kein Gottesdienst <strong>und</strong><br />

keine gottesdienstliche Handlung stattfindet oder wenn ein Gottesdienst über Gebühr<br />

bzw. rechtsmissbräuchlich ausgedehnt wird, dürfte die Polizei die kirchlichen Räume<br />

durchsuchen <strong>und</strong> den Flüchtling abschieben.<br />

Es fragt sich aber, ob sich an diesem Zwischenergebnis aufgr<strong>und</strong> eines u.U.<br />

eingreifenden Widerstandsrechts, aufgr<strong>und</strong> des Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts der Kirche oder<br />

aufgr<strong>und</strong> der Wirkungen etwas ändert, die die Glaubens- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit (Art. 4<br />

GG) entfaltet. 33 Denn ein „Gr<strong>und</strong>recht auf <strong>Kirchenasyl</strong>“ kennt unsere Rechtsordnung<br />

31 Auch die mit dem Innenmininsterium Nordrhein-Westfalens getroffene Vereinbarung zur Clearingstelle<br />

„<strong>Kirchenasyl</strong>“ vom 19. Juni 1995 verhindert als solche nicht die Abschiebung, vgl. zum Wortlaut der<br />

Vereinbarung: Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche <strong>im</strong> Rheinland (Hrsg.), Asyl in der Gemeinde, S. 54; vgl.<br />

dazu auch Elsner, Anmerkungen zur „Clearingstelle <strong>Kirchenasyl</strong>“, in: Landeskirchenamt der Evangelischen<br />

Kirche <strong>im</strong> Rheinland (Hrsg.), a.a.O., S. 87 ff.<br />

32 Vgl. zur Auslegung der Norm, insbesondere der Begriffe „Gottesdienst“ <strong>und</strong> „gottesdienstliche Handlung“<br />

sowie der Tathandlung: Tröndle/Fischer, StGB, § 167, Rn. 2 ff.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, § 167,<br />

Rn. 4 ff. Ausführlich Eser, in: Listl/Pirson (Hrsg.), HdbStKirchR, Bd. 2, S. 1019 ff., 1035 ff.<br />

33 Nicht untersucht werden sollen dagegen die Wirkungen des Status der Kirche(n) als Körperschaft(en) des<br />

öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV), des Hausrechts sowie der<br />

Fre<strong>und</strong>schaftsklausel in den staatskirchenrechtlichen Verträgen; all dies führt m.E. hier nicht weiter. Vgl.<br />

dazu aber Ehnes, Asyl <strong>und</strong> kirchliches Handeln, in: Rau/Reuter/Schlaich (Hrsg.), Das Recht der Kirche, Bd.<br />

III, S. 614 ff. sowie Baldus, <strong>Kirchenasyl</strong> <strong>und</strong> Vertragskirchenrecht, NVwZ 1999, S. 716 ff., insb. S. 719<br />

(Verstoß des <strong>Kirchenasyl</strong>s gegen die vertragskirchenrechtliche Loyalitätspflicht. Diese These ist aber<br />

bereits deshalb nicht haltbar, weil das Vertragskirchenrecht keinerlei Regelungen über die Gewährung von<br />

<strong>Kirchenasyl</strong> enthält, so dass sich eine diesbezügliche Loyalitätspflicht nicht ergeben kann; die<br />

Fre<strong>und</strong>schaftsklausel darf nicht auf Bereiche erstreckt werden, die nicht Vertragsgegenstand sind, was<br />

schon aus dem Wortlaut der Fre<strong>und</strong>schaftsklausel hervorgeht. Auch insgesamt ist der vertragskirchenrechtliche<br />

Ansatz Baldus’ (z.B. S. 720 <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Clearingverfahren in Rheinland-Pfalz:<br />

„vertragswidriges Hintertreiben der Vollstreckung“) verfehlt: wegen des Fehlens einer spezifischen<br />

vertragskirchenrechtlichen Regelung über die Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> können aus dem<br />

Vertragskirchenrecht weder Argumente für noch gegen die Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> hergeleitet<br />

werden.).<br />

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