03.12.2012 Aufrufe

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ausgedehnt, 90 zum Teil sogar auf das ganze Stadtviertel, in dem sich die Botschaft befand<br />

(z.B. in Frankfurt am Main, Rom oder Madrid) 91.<br />

So wurden die Botschaftsgebäude <strong>und</strong> die in einem fremden Hafen ankernden<br />

Kriegsschiffe als „exterritorial“ angesehen: sie gehörten zum Staatsgebiet des Entsende-<br />

bzw. Flaggenstaats. 92 Die Bezeichnung „Exterritorialität“ erklärt sich nur daraus, daß man<br />

unter „territorium“ auch die Territorialgewalt verstand. 93 Ebenso wie der Gesandte galt<br />

der Flüchtling, der zu einem Botschaftsgebäude gelangen konnte, als der<br />

(Jurisdiktions-)Gewalt des Aufnahmestaates entzogen. Ohne die Zust<strong>im</strong>mung des<br />

Botschafters als Repräsentant seines Staates konnte der Empfangsstaat keinerlei Gewalt<br />

innerhalb der Botschaft ausüben. 94 Das Asyl <strong>im</strong> Missionsgebäude verletzte aber nicht die<br />

territoriale Hoheitsgewalt des Empfangsstaates. 95<br />

Selbst wenn es folglich an einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Verleihung des<br />

<strong>Asylrecht</strong>s mangelte, ließ sich dieses aus der fingierten Exterritorialität des<br />

Gesandtschaftshotels ableiten. 96 Hieraus ergab sich, dass derjenige, der sich in dieses<br />

Gebäude flüchtete, sich damit der Gerichtshoheit „seines“ Staates entzog <strong>und</strong> derjenigen<br />

des Entsendestaates unterwarf. 97<br />

Die Fiktion der Exterritorialität wurde von den Völkerrechtlern lange Zeit<br />

aufrechterhalten. 98 Mit dem Erscheinen <strong>und</strong> Erstarken der souveränen Nationalstaaten,<br />

die die unumschränkte Gebietshoheit <strong>und</strong> insbesondere ungeteilte Strafgewalt<br />

beanspruchten, musste die Fiktion der Exterritorialität der Botschaftsgebäude jedoch<br />

aufgegeben werden. Mit der Exterritorialitätsfiktion können die tatsächlichen<br />

staatlicherseits gewährten Immunitäten nicht begründet werden; die in der Konsequenz<br />

der Exterritorialitätstheorie liegende völlige Befreiung von der Gerichtsbarkeit des<br />

Empfangsstaates kann heute nicht mehr beansprucht werden, was sich nicht zuletzt darin<br />

zeigt, dass die staatliche Praxis die Diplomaten in best<strong>im</strong>mten Bereichen ihrer<br />

Gerichtsbarkeit unterwirft. 99 Heute gehören daher nach ganz herrschender Meinung das<br />

Gebäude <strong>und</strong> die Räumlichkeiten der Mission zum Staatsgebiet des Empfangsstaates <strong>und</strong><br />

sind deshalb nicht exterritorial. 100<br />

90 Bulmerincq, S. 124. Deshalb bedeutete entgegen der Ansicht Bulmerincqs (S. 126) - welcher damit seinen<br />

eigenen Ausführungen widerspricht - die Exterritorialität des Gesandten nicht notwendigerweise auch die<br />

Unverletzlichkeit des gesandtschaftlichen Hotels.<br />

91 Dazu ausführlich Reale, S. 518 ff. Die Ausdehnung rief zunehmende Ablehnung gegen das diplomatische<br />

Asyl selbst hervor.<br />

92 Vgl. Hailbronner, in: Beitz/Wollenschläger, Handbuch des <strong>Asylrecht</strong>s, Bd. 1, S. 73.<br />

93 Verdross/S<strong>im</strong>ma, S. 571.<br />

94 Reale, S. 517 f.<br />

95 Kitschenberg, S. 82.<br />

96 Vgl. Bulmerincq, S. 127.<br />

97 Vgl. Bulmerincq, S. 127 f.<br />

98 Reale, S. 517 f.<br />

99 Ipsen, S. 490. Vgl. Art. 31 WÜD.<br />

100 Verdross/S<strong>im</strong>ma, S. 571; K<strong>im</strong>minich/Hobe, Völkerrecht, S. 315; Meyer-Lindenberg/Seidl-Hohenveldern, in: Seidl-<br />

Hohenveldern, Lexikon des Rechts - Völkerrecht, S. 67.<br />

48

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!