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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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ermöglichen. Daher gewährten sie der Familie seit November 1996 <strong>Kirchenasyl</strong>. Am 17.<br />

Juli 1997 drang die Polizei in die kirchlichen Räume ein, nahm den Familienvater - einen<br />

Deserteur der russischen Armee - fest <strong>und</strong> verbrachte ihn in Abschiebehaft nach Vechta.<br />

Mit einer Sitzblockade konnten die Nonnen die Abschiebung der Frau <strong>und</strong> ihrer Tochter<br />

verhindern. Das Bild der etwa 20 <strong>im</strong> Halbkreis vor dem Polizeiauto sitzenden <strong>und</strong><br />

stehenden Nonnen, die dieses am Abfahren hinderten, 7 sorgte in ganz Deutschland für<br />

Furore. 8<br />

<strong>Kirchenasyl</strong> Gewährende haben aber auch schon mehrfach Morddrohungen erhalten.<br />

Schlagzeilen machte der Fall des Lübecker Pastors Günter Harig. Dessen evangelische St.<br />

Augustinus-Gemeinde gewährte seit Anfang Mai 1997 einer von Abschiebung bedrohten<br />

algerischen Familie <strong>Kirchenasyl</strong>. Am 25. Mai 1997 wurde ein Brandanschlag auf die<br />

katholische St.-Vicelin-Kirche in Lübeck verübt, bei dem diese weitgehend zerstört<br />

wurde; dabei wurden die Wände der Kirche mit fünf Hakenkreuzen <strong>und</strong> zwe<strong>im</strong>al mit dem<br />

Namen des Pastors Günter Harig besprüht. 9 Der Name des Pastors tauchte auch bei<br />

Hakenkreuzschmierereien am Büro des Schriftstellers Günter Grass <strong>und</strong> an der Kirche St.<br />

Jakobi in der Lübecker Innenstadt auf. 10 In der Nacht zum 29. Juni 1997 wurde <strong>im</strong><br />

Kirchenbüro der St.-Augustinus-Gemeinde Feuer gelegt, die Außenwand des<br />

Kirchenbüros mit drei Hakenkreuzen beschmiert <strong>und</strong> der Drohung: „Harig, wir kriegen<br />

dich“. 11 In der Nacht zum 17. September 1997 sprühten Unbekannte ein weißes<br />

Hakenkreuz <strong>und</strong> den Namen des Pastors Günter Harig auf ein Turngerät des<br />

Kindergarten-Spielplatzes einer Kirchengemeinde <strong>im</strong> Lübecker Stadtteil St. Jürgen; auf<br />

dieselbe Weise beschmutzt wurde das Auto eines Journalisten, der eine<br />

Kulturveranstaltung gegen Rassismus mit initiierte, die am darauffolgenden Wochenende<br />

in Lübeck stattfand. In beiden Fällen stand hinter dem Namen Harig ein Kreuz. 12 Pastor<br />

Günter Harig erhielt am 18.9.1997 die erstmals verliehene, von der Postgewerkschaft<br />

Hamburg gestiftete Herbert-Wehner-Medaille; dieser Preis soll an Personen verliehen<br />

werden, die sich durch aktives Eintreten für die Demokratie verdient gemacht haben. 13<br />

7 Vgl. z.B. die Abbildung in: SZ v. 26./27.7.1997, S. 10 („Mit dem Rosenkranz gegen die Staatsgewalt“).<br />

8 Der Familienvater wurde aus der Abschiebehaft entlassen <strong>und</strong> durfte zu seiner Familie in die Abtei<br />

zurückkehren, als die kanadische Botschaft in Bonn das niedersächsische Innenministerium davon<br />

informierte, dass eine Anhörung über den Einwanderungsantrag der Familie stattfinden würde, vgl. SZ v.<br />

30.7.1997, S. 5; FAZ v. 30.7.1997, S. 5. Vgl. auch FAZ v. 23.7.1997, S. 4.<br />

9 Vgl. FAZ v. 26.5.1997, S. 1; SZ v. 26.5.1997, S. 1; NZZ v. 26.5.1997, S. 36; FAZ v. 27.5.1997, S. 4; Die Zeit<br />

v. 30.5.1997; ausführlich: SZ v. 16.6.1997, S. 1 <strong>und</strong> 3.<br />

10 SZ v. 26. Juni 1997, S. 5; NZZ v. 26.6.1997, S. 2.<br />

11 Vgl. FAZ v. 30.6.1997, S. 1; SZ v. 30.6.1997, S. 1 <strong>und</strong> S. 4; FAZ v. 15.7.1997, S. 5; SZ v. 6.12.1997, S. 11.<br />

Ausführlich: Robert Leicht, Die Schrift an der Wand, in: Die Zeit v. 11.7.1997, S. 2. Ein Bild von dieser<br />

Schmähschrift ist abgedruckt in: SZ v. 5./6.7.1997, S. 9.<br />

12 SZ v. 18.9.1997, S. 8.<br />

13 FAZ v. 19.9.1997, S. 6.<br />

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