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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Internationale Gerichtshof diese Frage offen gelassen. 126 Dennoch lässt sich aufgr<strong>und</strong> der<br />

von einer entsprechenden Rechtsüberzeugung der lateinamerikanischen Staaten<br />

getragenen Praxis davon sprechen, dass in Lateinamerika das diplomatische Asyl als<br />

partikuläres Gewohnheitsrecht besteht. 127<br />

Der Asylstreit über den peruanischen oppositionellen Parteiführer Haya de la Torre gab<br />

dem IGH Gelegenheit, in drei Urteilen die Voraussetzungen des diplomatischen Asyls,<br />

seine Dauer <strong>und</strong> Beendigung näher darzulegen. 128 Zum ersten Mal befaßte sich ein<br />

internationales Gericht mit dem diplomatischen <strong>Asylrecht</strong>. Haya de la Torre unterlag <strong>im</strong><br />

Jahre 1935 bei den Präsidentschaftswahlen in Peru. 129 Ein daraufhin von seiner Partei<br />

unternommener Putschversuch scheiterte. Haya de la Torre konnte sein Leben durch die<br />

Flucht in die mexikanische Botschaft retten, seine Partei wurde verboten. Nachdem <strong>im</strong><br />

Jahre 1948 der peruanische Präsident Bustamente eine Diktatur errichtete, unternahm die<br />

oppositionelle Partei Haya de la Torres erneut einen Aufstand. Haya de la Torre suchte am 3.<br />

Januar 1949 wiederum Schutz in einer Botschaft, diesmal in derjenigen Kolumbiens. Tags<br />

darauf zeigte der kolumbianische Botschafter in L<strong>im</strong>a dem peruanischen Außenminister<br />

an, dass er Haya de la Torre diplomatisches Asyl gewähre <strong>und</strong> bat den Außenminister<br />

gleichzeitig auf der Gr<strong>und</strong>lage des diplomatischen <strong>Asylrecht</strong>s um freies Geleit für den<br />

Flüchtling. 130 Am 14. Januar 1949 schrieb der Botschafter dem Außenminister ergänzend,<br />

dass Kolumbien Haya de la Torre als politischen Flüchtling qualifiziert habe. 131 Da sich<br />

Kolumbien <strong>und</strong> Peru nicht über die Lösung des Falles einigen konnten, machte<br />

Kolumbien den Fall be<strong>im</strong> IGH anhängig.<br />

Der IGH entschied, dass der diplomatische Vertreter die Kompetenz hat, zu<br />

best<strong>im</strong>men, ob dem Flüchtling in der Botschaft diplomatisches Asyl gewährt wird oder<br />

nicht, d.h. ob ein Fall gegeben ist, in dem diplomatisches Asyl gewährt werden darf<br />

(politische Straftat oder gemeine Straftat); es handelt sich dabei um eine vorläufige<br />

Qualifikation, die der Territorialstaat anfechten kann. 132 Dagegen fehlt es an einer Regel,<br />

die besagt, dass der asylgewährende Staat die einseitige <strong>und</strong> bindende<br />

126 Der Nachweis einer Rechtsüberzeugung (opinio iuris) sei nicht erbracht worden, C.I.J. Recueil 1950, S. 277<br />

f. Näher dazu Hailbronner, in: Beitz/Wollenschläger, Handbuch des <strong>Asylrecht</strong>s, Bd. 1, S. 74, der aufgr<strong>und</strong><br />

einer unbeständigen <strong>und</strong> widersprüchlichen Staatenpraxis die völkergewohnheitsrechtliche Begründung<br />

des diplomatischen Asyls für Lateinamerika ablehnt.<br />

127 Im einzelnen Kitschenberg, S. 104 ff., 110 ff. Ebenso: v. Pollern, Das moderne <strong>Asylrecht</strong>, S. 99 ff., 106 ff., 463<br />

f. sowie K<strong>im</strong>minich/Hobe, Völkerrecht, S. 315. K<strong>im</strong>minich (K<strong>im</strong>minich/Hobe, Völkerrecht, S. 315) geht zudem<br />

davon aus, dass das diplomatische Asyl südamerikanisches partikulares Völkerrecht sei, das außerhalb<br />

Südamerikas nicht als Institut des Völkerrechts anerkannt sei. Gegen die Annahme des diplomatischen<br />

Asyls als eines partikulären, lateinamerikanischen Gewohnheitsrechts Hailbronner, in: Beitz/Wollenschläger,<br />

Handbuch des <strong>Asylrecht</strong>s, Bd. 1, S. 74.<br />

128 Es waren dies erstens der Asylum Case, Urteil vom 20.11.1950 (C.I.J. Recueil 1950, S. 266 ff.), zum zweiten<br />

das Urteil vom 27.11.1950 über den Request for interpretation of the judgment of November 20 th, 1950, in the<br />

Asylum Case (C.I.J. Recueil 1950, S. 395 ff.) sowie der Haya de la Torre Case, Urteil vom 13.6.1951 (C.I.J.<br />

Recueil 1951, S. 71 ff.).<br />

129 Vgl. dazu <strong>und</strong> <strong>im</strong> folgenden Kitschenberg, S. 33.<br />

130 Vgl. C.I.J. Recueil 1950, S. 273.<br />

131 Vgl. C.I.J. Recueil 1950, S. 273.<br />

132 C.I.J. Recueil 1950, S. 274.<br />

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