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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Dies bedeutet, dass der Flüchtling trotz laufenden Petitionsverfahrens in seinen<br />

He<strong>im</strong>atstaat abgeschoben werden könnte. 208 Im Gegensatz z.B. zu Rheinland-Pfalz, wo in<br />

der Praxis während eines laufenden Petitionsverfahrens i.d.R. nicht abgeschoben wird<br />

(„Stillhalteabkommen“) 209, nehmen andere B<strong>und</strong>esländer hierauf oftmals keine<br />

Rücksicht. 210 Auf diese Weise kann es dazu kommen, dass die Petition positiv<br />

verbeschieden wird, die Antwort aber zu spät kommt, so dass u.U. der Abgeschobene<br />

gefoltert oder getötet wird. Entsprechende Fälle von Folterungen <strong>im</strong> Anschluss an die<br />

Abschiebung sind belegt. 211<br />

Ein Petitionsverfahren kann demnach aufgr<strong>und</strong> seiner fehlenden aufschiebenden<br />

Wirkung gr<strong>und</strong>sätzlich keinen ausreichenden Schutz entfalten. Daher ist das<br />

Petitionsrecht nach Art. 17 GG <strong>und</strong> den Landesverfassungen nicht geeignet, die durch die<br />

Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong> vermittelte Schutzwirkung zu verdrängen.<br />

4. Ergebnis<br />

Insgesamt bleibt folgendes festzuhalten:<br />

Das zuständige Gericht darf wegen der Schutzwirkung von Art. 140 GG i.V.m. Art.<br />

137 Abs. 3 WRV <strong>und</strong> insbesondere des Art. 4 GG keine Durchsuchungsanordnung zum<br />

Zwecke der Abschiebung aus dem <strong>Kirchenasyl</strong> erlassen. Eine Durchsuchung der<br />

kirchlichen Räume durch die Polizei darf also nicht stattfinden. Die Polizei hat aufgr<strong>und</strong><br />

der Schutzwirkung von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV <strong>und</strong> insbesondere des<br />

208 Gerstberger (S. 107) vertritt jedoch die Ansicht, das Individualgr<strong>und</strong>recht des Art. 17 GG würde durch die<br />

Abschiebung für abgelehnte Asylbewerber schlichtweg ausgehebelt, ja abgeschafft; überdies würden auch<br />

die Rechte des Petitionsausschusses in unzulässiger Weise ausgehöhlt.<br />

209 Vgl. Gerstberger, S. 109.<br />

210 Der Petitionsausschuss des Nordrhein-Westfälischen Landtages empfahl sogar mit Beschluss vom<br />

10.12.1996 (LT-Drs. 12/04882), „von der Gewährung von sogenanntem <strong>Kirchenasyl</strong> <strong>und</strong> ähnlichen<br />

Maßnahmen Abstand zu nehmen“ <strong>und</strong> missbilligte, dass durch die Gewährung eines <strong>Kirchenasyl</strong>s<br />

versucht worden sei, auf die Behörden Druck auszuüben; ein solches Vorgehen erschwere zukünftig<br />

einvernehmliche Lösungen oder verhindere sie gar, s. NVwZ 1997, S. 257 f.<br />

211 Vgl. z.B. Deutscher Caritasverband, Erfahrungsbericht zur Situation von Asylsuchenden <strong>und</strong> Flüchtlingen in<br />

Deutschland, 1994, wo von konkreten Hinweisen über Folterungen an abgeschobenen Kurden in der<br />

Türkei die Rede ist (S. 13). Der <strong>im</strong> Juli 1998 <strong>im</strong> Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde<br />

Mutterstadt verhaftete kurdische Deserteur Menaf Abdul Düzenli wurde nach der Abschiebung in die<br />

Türkei verhaftet <strong>und</strong> schwer misshandelt, vgl. Rapp (Die Entwicklung der <strong>Kirchenasyl</strong>initiativen 1998, in:<br />

Evangelische Akademie Mülhe<strong>im</strong>/Ruhr (Hrsg.), <strong>Kirchenasyl</strong> in der Spannung zwischen Recht <strong>und</strong> kirchlichem<br />

Auftrag, S. 74 ff., 77), FR v. 17.7.1998, S. 4, FR v. 18.7.1998, S. 4 <strong>und</strong> FR v. 19.8.1998, S. 4. Vgl. ferner<br />

Just, Bewertung des Untersuchungsberichts, in: Ökumenische B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (Hrsg.),<br />

Zufluchtsort Kirche, S. 24 f. <strong>und</strong> ders., ZAR 1999, S. 74. Pro Asyl <strong>und</strong> der Niedersächsische Flüchtlingsrat<br />

machten <strong>im</strong> Juli 1999 erneut darauf aufmerksam, dass aus Deutschland abgeschobene kurdische<br />

Asylbewerber nach ihrer Rückkehr in die Türkei inhaftiert <strong>und</strong> gefoltert wurden; sie dokumentierten<br />

diesbezüglich acht neue Fälle, s. Migration <strong>und</strong> Bevölkerung, Ausgabe 6, August 1999, S. 2. Vgl. ferner<br />

Amnesty International, Sektion der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland e.V. (Hrsg.), Zwei Jahre neues <strong>Asylrecht</strong>, S. 54 f.<br />

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