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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Art. 4 GG nicht das Recht, den Flüchtling aus dem <strong>Kirchenasyl</strong> zu holen <strong>und</strong><br />

abzuschieben (Art. 4 GG als verfassungsunmittelbares Abschiebungshindernis). All dies<br />

gilt aber nur dann, wenn die Kirchengemeinde binnen kurzer Zeit neue Beweise für die<br />

Verfolgung bzw. für Gefahren <strong>im</strong> Falle der Abschiebung vorlegen will oder bereits zu<br />

Anfang vorlegen kann. Die Behörden (<strong>und</strong> Gerichte) sind zur nochmaligen Prüfung der<br />

Entscheidung <strong>im</strong> Hinblick auf die Abschiebung verpflichtet. Des Rückgriffs auf ein<br />

eventuelles „Gr<strong>und</strong>recht auf <strong>Kirchenasyl</strong>“ bedarf es nach alledem nicht. Da sich der<br />

Flüchtling, der <strong>im</strong> offenen <strong>Kirchenasyl</strong> lebt, der Abschiebung nicht entzieht <strong>und</strong> nicht<br />

entziehen will, kann er nicht in Abschiebehaft genommen werden. 212 Die Abwägung<br />

ergibt, dass aufgr<strong>und</strong> des Art. 4 GG die Behörden <strong>und</strong> Gerichte zu einer nochmaligen<br />

Überprüfung des Falles verpflichtet sind (Asylfolgeverfahren; Art. 4 GG als Gr<strong>und</strong> für die<br />

Wiederaufnahme des Verfahrens), bei der dann die von kirchlicher Seite vorgelegten<br />

Beweise berücksichtigt werden müssen. Allerdings ist das B<strong>und</strong>esamt keineswegs<br />

verpflichtet, die vorgelegten Beweise unbesehen zu übernehmen; es kann, wenn es z.B.<br />

die Fälschung nachgewiesen hat, diese auch zurückweisen. Im Falle einer ablehnenden<br />

Entscheidung, in der auch kein Abschiebungsschutz gewährt wird, muss das Ergebnis<br />

dieser nochmaligen Prüfung akzeptiert werden. Diese Lösung ist mit dem Asylmonopol<br />

vereinbar, da sich nicht „die“ Kirche oder Kirchengemeinde an die Stelle des<br />

B<strong>und</strong>esamtes setzt, sondern letzteres frei entscheidet.<br />

Mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ist diese Lösung vereinbar.<br />

Zwar liegen in der Tat Ungleichbehandlungen von abzuschiebenden Ausländern vor,<br />

wenn manche Personen, die sich <strong>im</strong> <strong>Kirchenasyl</strong> befinden, allein aufgr<strong>und</strong> dieser Tatsache<br />

ein Asylfolgeverfahren durchlaufen können. Der Staat hat aber keine Schutzpflicht, diese<br />

Ungleichbehandlungen zu verhindern. Denn die Schutzwirkung des Art. 4 GG<br />

rechtfertigt diese Ungleichbehandlung.<br />

Ebenso wenig liegt <strong>im</strong> Hinblick darauf, dass der Rechtsweg bereits erschöpft war, ein<br />

Verstoß gegen die Unabhängigkeit der Gerichte vor.<br />

Schließlich ist das gewonnene Ergebnis auch mit dem Petitionsrecht (Art. 17 GG)<br />

vereinbar.<br />

V. Exkurs: Klagemöglichkeit der <strong>Kirchenasyl</strong>gewährenden bei „Bruch“ des<br />

<strong>Kirchenasyl</strong>s?<br />

212 Anders ist es, wenn sich der Flüchtling <strong>im</strong> verdeckten <strong>Kirchenasyl</strong> befindet. Vgl. aber den Beschluss des<br />

BayObLG vom 19.3.1997 (NJW 1997, S. 1713 f. = BayObLGZ 1997, S. 125 ff. =<br />

Wollenschläger/Weickhardt (Hrsg.), EZAR 048 Nr.35), in dem gegen einen Kurden, der sich <strong>im</strong> offenen<br />

<strong>Kirchenasyl</strong> aufhielt <strong>und</strong> zuvor <strong>im</strong> verdeckten <strong>Kirchenasyl</strong> aufgehalten hatte, Sicherungshaft angeordnet<br />

wurde; vgl. dazu auch SZ v. 10.4.1997, S. 1, 4 <strong>und</strong> 47. Das Amtsgericht Kronach <strong>und</strong> das Landgericht<br />

Coburg hatten zuvor gegenteilig entschieden.<br />

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