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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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Bei Anwendung der Bereichsscheidungslehre wäre die Gewährung von <strong>Kirchenasyl</strong><br />

nicht - wie etwa das kirchliche Amtsrecht - dem Innenbereich, sondern vielmehr dem<br />

Außenbereich zuzuordnen, der den Schranken der allgemeinen Gesetze unterliegt.<br />

Den Vorzug gegenüber der Bereichsscheidungslehre verdient allerdings die<br />

Abwägungslehre, da mit ihrer Hilfe eine adäquate Einzelfall-Lösung erzielt werden kann.<br />

Das <strong>Kirchenasyl</strong> müsste an den asyl- <strong>und</strong> ausländerrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen als<br />

Schranke des für alle geltenden Gesetzes gemessen werden. 70 Es muss hier aber nicht<br />

entschieden werden, ob das Ausländergesetz als allgemeines Gesetz i.S.v. Art. 140 GG<br />

i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, das die Abschiebung regelt, gegenüber dem Gewähren von<br />

<strong>Kirchenasyl</strong> den Vorrang hat. Auch wird vertreten, dass - wenn die Gewährung von<br />

<strong>Kirchenasyl</strong> nach den Strafgesetzen verboten wäre <strong>und</strong> diese „allgemeine Gesetze“ i.S.v.<br />

Art. 137 Abs. 3 WRV wären - dann dafür ein Rechtsgr<strong>und</strong> nicht in Anspruch genommen<br />

werden könnte. 71 Dies kann ebenfalls dahingestellt bleiben.<br />

Denn die Abwägung zwischen der Schranke <strong>und</strong> dem kirchlichen<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht läuft parallel zu der bei Art. 4 GG zu treffenden Abwägung.<br />

Ansonsten ergäbe sich ein Widerspruch, da das kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht als in<br />

vollem Umfang von Art. 4 GG umfasst angesehen wird. Wenn sich <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Abwägung bei Art. 4 GG ergeben sollte, dass sich aus Art. 4 GG ein Abschiebungsschutz<br />

ableiten lässt, dann würde dies gleichzeitig bedeuten, dass auch Art. 140 GG i.V.m. Art.<br />

137 Abs. 3 WRV einen solchen Abschiebungsschutz beinhaltet. 72<br />

Die Glaubens- <strong>und</strong> Bekenntnisfreiheit ist die Freiheit des individuellen Glaubens <strong>und</strong><br />

Bekennens. Der Kernbereich des Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts wird allerdings auch durch die<br />

Garantie des Art. 4 GG erfasst. 73 Das BVerfG hat wiederholt ausgesprochen, dass das<br />

„Statusverhältnis“ der Kirchen aus Art. 140 GG in seinem Kernbereich auch durch Art. 4<br />

GG geschützt werde. 74 Die in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleistete<br />

kollektive Glaubensfreiheit ist eine Konkretisierung von Art. 4 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 GG. 75 Der<br />

Gehalt des kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts ist damit von Art. 4 GG mit umfasst. 76<br />

70 Mainusch, Die öffentlichen Sachen der Religions- <strong>und</strong> Weltanschauungsgemeinschaften, S. 135, stellt<br />

lediglich fest, dass gegenüber einem kirchlichen <strong>Asylrecht</strong> die asyl- <strong>und</strong> ausländerrechtlichen<br />

Best<strong>im</strong>mungen als Schranke des für alle geltenden Gesetzes anzusehen seien.<br />

71 Dehnen, ZevKR 40 (1995), S. 15.<br />

72 Im Ergebnis ebenso: Geis, <strong>Kirchenasyl</strong> <strong>im</strong> <strong>demokratischen</strong> Verfassungsstaat, in: B<strong>und</strong>esamt für die<br />

Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Hrsg.), Asylpraxis, Bd. 3, S. 69 ff., 87 ff.; ders., JZ 1997, S. 63 ff.;<br />

Siegm<strong>und</strong>, S. 70.<br />

73 Vgl. zum Verhältnis von Art. 137 Abs. 3 WRV <strong>und</strong> Art. 4 GG z.B. Bock, S. 137 f.<br />

74 Vgl. dazu die Nachweise bei v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 107, Fn. 11.<br />

75 Kokott, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 4, Rn. 4.<br />

76 So auch Hübner, In der Spannung zwischen Recht <strong>und</strong> kirchlichem Auftrag - „<strong>Kirchenasyl</strong>“ aus (kirchen-<br />

)rechtlicher Perspektive -, in: Evangelische Akademie Mülhe<strong>im</strong>/Ruhr (Hrsg.), <strong>Kirchenasyl</strong> in der Spannung<br />

zwischen Recht <strong>und</strong> kirchlichem Auftrag, S. 14 ff., 18; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 4, Rn. 97<br />

(der gesamte Inhalt des Art. 137 Abs. 3 WRV wird von Art. 4 GG mit umfasst<br />

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