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Kirchliches Asylrecht und Kirchenasyl im demokratischen Rechtsstaat

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damit gemeint? Dazu muss kurz darauf eingegangen werden, was unter „rechtsfreiem<br />

Raum“ verstanden wird. 168 Es geht hierbei darum, dass keinerlei Rechtsregel den Raum<br />

erfasst, dass kein gerade diesen Raum regelndes Recht vorhanden ist. 169 Dabei ist „Raum“<br />

nicht örtlich zu verstehen, 170 so dass man nicht davon sprechen kann, die Räumlichkeiten<br />

einer Kirchengemeinde, in denen <strong>Kirchenasyl</strong> gewährt wird, seien „rechtsfreier Raum“.<br />

Weiter bedeutet rechtsfrei, dass normative Freiheit besteht, wobei die entscheidende Frage<br />

ist, ob die Sachverhalte, Situationen oder Lebensverhältnisse von regelnden<br />

Rechtsnormen frei, davon zu befreien <strong>und</strong> freizuhalten sind. 171<br />

Wichtiges Kriterium ist die fehlende Durchsetzbarkeit rechtlicher Regeln innerhalb des<br />

rechtsfreien Raums. 172 Innerhalb der Grenzen des rechtsfreien Raumes darf demnach<br />

keine Durchsetzung mit staatlich organisierten Mitteln erfolgen, ja sogar überhaupt keine<br />

(Rechts-)Setzung, da dem Staat hier keine Regelungsbefugnis zusteht. 173 Rechtsfreie<br />

Räume tun sich dort auf, wo die Erfordernisse des Zusammenlebens zurücktreten hinter<br />

dem Gegengewicht, das der Aufgabe des Rechts Grenzen setzt: der Autonomie des<br />

Individuums. 174<br />

In best<strong>im</strong>mten Lebensbereichen bzw. Situationen hat das Recht <strong>im</strong> Hinblick auf<br />

best<strong>im</strong>mte Verhaltenskomplexe keine Eingriffsbefugnis; best<strong>im</strong>mte Lebensbereiche sind<br />

daher frei von staatlicher Regelung: rechtsfrei. 175<br />

Wie erläutert, bedeutet „rechtsfreier Raum“, dass in diesem Raum kein Recht gilt <strong>und</strong><br />

keinerlei Rechtsregel diesen Raum erfasst. Selbst wenn man kirchliche Räumlichkeiten als<br />

„Raum“ in diesem Sinne verstünde, wäre diese Voraussetzung nicht erfüllt: denn dort gilt<br />

zum Teil kirchliches Recht, in jedem Fall aber staatliches Recht. Auch aus can. 1213<br />

CIC/1983 („Ihre Vollmachten <strong>und</strong> Aufgaben übt die kirchliche Autorität an heiligen<br />

Orten frei aus.“) lässt sich nicht herauslesen, dass nach katholischem Kirchenrecht heilige<br />

Orte wie Kirchen rechtsfreie Räume sein sollten.<br />

Überdies wird von den <strong>Kirchenasyl</strong>-Befürwortern, soweit ersichtlich, keineswegs ein<br />

„rechtsfreier Raum“ proklamiert oder in Anspruch genommen. Die Kirchen<br />

beanspruchen kein Sonderrecht, das jenseits der staatlichen Rechtsordnung steht; die<br />

Kirche ist – in diesem Sinne - kein rechtsfreier Raum. 176<br />

168 Vgl. dazu nur Comes, Der rechtsfreie Raum, insb. S. 19 ff.; zum strafrechtlichen Begriff des „rechtsfreien<br />

Raumes“ vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB, Vor § 32, Rn. 11 m. w. Nachw.<br />

169 Comes, S. 19.<br />

170 Comes, S. 20.<br />

171 Comes, S. 21.<br />

172 Vgl. Comes, S. 25 ff., 28, 39.<br />

173 Vgl. Comes, S. 39.<br />

174 Comes, S. 39.<br />

175 Comes, S. 101.<br />

176 So auch Pospischil, S. 26 f. Ebenso: Kommission XIV Migration der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Hilfe<br />

<strong>und</strong> Schutz bedrohter Menschen <strong>im</strong> Einzelfall, (7.1), S. 2. Wenn die Kommission a.a.O. allerdings schreibt,<br />

<strong>im</strong> modernen <strong>Rechtsstaat</strong> sei der sakrale Ort kein rechtsfreier Raum mehr, so ist diese Annahme nicht<br />

korrekt, da der sakrale Ort - wie erläutert - niemals ein rechtsfreier Raum war.<br />

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