Die Kunst der Radiotelegrafie
Die Kunst der Radiotelegrafie
Die Kunst der Radiotelegrafie
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“Spencerian-Script”-Handschrift 3 (Denken Sie nur an das Risiko von Klecksen<br />
bei diesen Stahlfe<strong>der</strong>n!). So wurden bei einem Tempo von 30 bis 35 WpM ordentliche<br />
und vorzeigbare Mitschriften erzeugt.<br />
<strong>Die</strong> Telegrafisten nach dem Bürgerkrieg<br />
Es folgte eine Zeit des Wachstums, sowohl in <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Eisenbahn-Telegrafenbüros,<br />
als auch bei den städtischen Telegrafenämtern. Eine große Zahl<br />
Frauen wurden Telegrafistinnen in den städtischen Telegrafenbüros, weil dies<br />
eine sauberere und angesehenere Arbeit war, als im Haushalt o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Fabrik.<br />
Es gab unterschiedliche Kategorien von Telegrafisten in diesen großen<br />
Stadt-Büros: welche, die langsameren Telegrafie-Verkehr mit ländlichen Regionen<br />
durchführten, an<strong>der</strong>e, die Nachrichten mit höherem Tempo übermittelten,<br />
wie z.B. Börsenmeldungen und schließlich die Spitzengruppe, die mit den Pressemeldungen<br />
befaßt war.<br />
Das Ziel <strong>der</strong> meisten männlichen Telegrafisten war, aufzusteigen und höhere<br />
Geschwindigkeiten akkurat handhaben zu können. <strong>Die</strong>s war sehr angesehen und<br />
wurde am besten bezahlt. In städtischen Telegrafenämtern war es üblich, einen<br />
Neuling zu “schikanieren”. <strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en richteten es so ein, daß ihm eine ungewöhnliche<br />
o<strong>der</strong> fehlerhafte Nachricht gesandt wurde, o<strong>der</strong> noch öfters eine,<br />
die für ihn zu schnell war, und beobachteten, wie er schwitzte und Panik bekam.<br />
Wenn er dann durch die Belustigung <strong>der</strong> Umstehenden mitbekam, daß<br />
ihm seine Kollegen diesen Streich gespielt hatten und es gelassen und würdevoll<br />
aufnahm, wurde er als “eingeweiht” betrachtet und war in die Bru<strong>der</strong>schaft<br />
<strong>der</strong> Telegrafisten aufgenommen. Wenn er aber Wut o<strong>der</strong> Unsicherheit zeigte,<br />
betrachtete man ihn weiter als Anfänger.<br />
Als in den 1880er Jahren die Schreibmaschinen aufkamen, wurden sie auch<br />
bald in den amerikanischen Telegrafenbüros genutzt. Ein guter Telegrafist konnte<br />
damit ohne Probleme 50–60 WpM mitschreiben und von vielen wurde berichtet,<br />
daß sie gewohnheitsmäßig mit 5 bis 6 Worten Verzögerung tippten.<br />
<strong>Die</strong> Einführung <strong>der</strong> drahtlosen Telegrafie<br />
Als Marconi mit seinen Funkapparaten die Bühne betrat, wurde <strong>der</strong> “kontinentale”<br />
o<strong>der</strong> “internationale” Morsecode auf <strong>der</strong> ganzen Welt benutzt, außer in<br />
Amerika. Anfang kam die Funktelegrafie fast ausschließlich nur da zum Einsatz,<br />
wo absolut keine Drähte verlegt werden konnten – also eigentlich nur zwischen<br />
Schiffen untereinan<strong>der</strong> o<strong>der</strong> beim Verkehr von Schiffen mit den Küstenstationen.<br />
<strong>Die</strong> amerikanischen Telegrafisten, die mit dem amerikanischen Morsecode aufgewachsen<br />
waren, mußten bald auch den kontinentalen Code lernen: sie verständigten<br />
sich untereinan<strong>der</strong> in <strong>der</strong> gewohnten Weise – im Verkehr mit an<strong>der</strong>en<br />
benutzten sie den kontinentalen Code. Viele von ihnen beherrschten beide Arten<br />
in höchster Perfektion und wechselten bei Bedarf augenblicklich zwischen<br />
ihnen hin und her.<br />
Für eine gewisse Zeit – so etwa bis zum Ersten Weltkrieg – war die Kenntnis<br />
bei<strong>der</strong> Telegrafie-Arten unabdingbar. Letztlich war aber die Anwendung des<br />
3 [Ein bekanntes Beispiel dieser eleganten und schönen Schriftart ist <strong>der</strong> Coca-Cola-<br />
Schriftzug.]<br />
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