Die Kunst der Radiotelegrafie
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Die Kunst der Radiotelegrafie
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Zeit über zur Verfügung steht 2 . Um ein menschliches Beispiel zu wählen: wie<br />
behält ein Fluglotse den Überblick über viele startende und landende Flugzeuge?<br />
Widmet er ihnen allen “gleichzeitig” seine Aufmerksamkeit? Eine sehr<br />
interessante Frage, o<strong>der</strong>?<br />
Geschwindigkeit<br />
Um 1933 wurde geschrieben, daß ein guter Berufsfunker in <strong>der</strong> Lage sei und<br />
dies auch täglich praktiziere, während einer achtstündigen Schicht mit durchschnittlich<br />
40 WpM zu arbeiten und in diesem Tempo alles von Nachrichtenmeldungen<br />
bis zu Zahlen-Tabellen zu übermitteln. <strong>Die</strong> handgetasteten Morsezeichen<br />
waren absolut gleichmäßig, rhythmisch und mit korrekten Pausenabständen,<br />
die Benutzung von Abkürzungen intelligent und praktisch – es war<br />
eine Freude, zuzuhören. Auf den wichtigsten Leitungen <strong>der</strong> Nachrichtenagentur<br />
Associated Press sind den Überlieferungen zufolge Geschwindigkeiten im<br />
60–70 WpM-Bereich nichts Ungewöhnliches gewesen. 1937 hatte WCK zwei<br />
Übertragungs-Regimes: eines für 45 WpM, wobei die Sendung durch Hören<br />
aufgenommen wurde und ein noch viel schnelleres, bei dem automatische Bandrekor<strong>der</strong><br />
die Nachricht aufzeichneten und diese später durch Lesen <strong>der</strong> Bän<strong>der</strong><br />
übersetzt wurde (siehe S. 260). Von den Marinefunkern Pete Pettit und Paul<br />
Magarris war bekannt, daß sie die eigentlich für Bandaufnahmen vorgesehenen<br />
Presse-Übertragungen gut mitlesen konnten und sie waren nicht die einzigen,<br />
die diese Fähigkeit besaßen. Ralph Graham, W8KPE, ein Überland-Telegrafist,<br />
demonstrierte am Smithsonian Institut während <strong>der</strong> AWA-Konferenz 3 vor 10<br />
Zeugen, daß er 79,4 WpM mitlesen konnte. George Batterson, W2GB, (<strong>der</strong> erste<br />
Präsident <strong>der</strong> AWA) vermochte mit 94 Jahren noch 50 WpM mitzulesen,<br />
klagte aber darüber, daß seine Gebe-Geschwindigkeit auf 35 abgesunken sei.<br />
Mike Popella, KA3HIE, konnte 45 WpM-Übertragungen mit Stift und Papier<br />
mitschreiben.<br />
Jim Farrior, W4FOK, beschrieb es so: ” Als ich 13 Jahre alt war, lebte ich<br />
in einer Kleinstadt in Alabama. Das Eisenbahn-Telegrafenbüro war eines <strong>der</strong><br />
wenigen Dinge in <strong>der</strong> Stadt, die mich interessierten. Einer <strong>der</strong> drei dort tätigen<br />
Telegrafisten gab mir seinen Ticker und seine Morsetaste. Der Nachtdienst hatte<br />
dort meist nicht viel zu tun und half mir beim Lernen, indem er mir etwas<br />
sendete und überhaupt etliches über die Abläufe und Prozeduren usw. beim<br />
Telegrafieren erklärte. Sonst war aber <strong>der</strong> Ticker im Büro praktisch immer in<br />
Aktion und Stück für Stück lernte ich, direkt vom Draht mitzuschreiben. Ich<br />
habe das wahrscheinlich so gelernt, wie jemand das Sprechen lernt. Jedenfalls<br />
kann ich mich nicht daran erinnern, daß ich bewußt versucht hätte, es zu lernen.<br />
<strong>Die</strong> Telegrafisten hatten mir gesagt, daß es ganz leicht sei und ich habe ihnen<br />
geglaubt. Ich hatte meinen Spaß damit und träumte davon, eines Tages selbst<br />
Telegrafist zu werden.“<br />
2 [Solche Großcomputer gibt es heute kaum noch. Wenn auf einem normalen PC mehrere<br />
Programme ’gleichzeitig’ laufen, funktioniert dies aber nach genau demselben Prinzip.]<br />
3 [AWA = Antique Wireless Association – ein Traditionsverein.]<br />
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