Die Kunst der Radiotelegrafie
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Die Kunst der Radiotelegrafie
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wurde, schloß ein den Scheibenrand abtasten<strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>kontakt einen Stromkreis<br />
und erzeugte so die Morsezeichen. Ein pfiffiger Umschaltmechanismus bewirkte,<br />
daß <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>kontakt selbständig von einer Scheibe zur nächsten weiterrückte<br />
– die Stellen <strong>der</strong> jeweiligen Scheibe, an denen die Umschaltung erfolgte, konnten<br />
vom Anwen<strong>der</strong> vorgegeben werden. Von diesen Geräten gab es verschiedene<br />
Modelle mit fünf bis zehn o<strong>der</strong> noch mehr Scheiben. Durch das Vertauschen<br />
<strong>der</strong> Code-Scheiben und verschiedene Einstellungen des Umschaltmechanismus<br />
konnten die jeweils fünf Zeichengruppen in vielen unterschiedlichen Kombinationen<br />
gesendet werden. <strong>Die</strong> Zeichen-Reihenfolge innerhalb <strong>der</strong> Fünfergruppen<br />
konnte jedoch nicht variiert werden und auch die Umschaltung von einer Scheibe<br />
zur nächsten konnte nur jeweils zwischen zwei Gruppen erfolgen.<br />
<strong>Die</strong>se Maschinen wurden bei amerikanischem Morsecode zusammen mit einem<br />
Ticker, bei internationalem Code mit einem Summer o<strong>der</strong> Oszillator benutzt.<br />
Sie waren bei angehenden Telegrafisten und auch Amateurfunkern offenbar<br />
weit verbreitet, sowohl zum Erlernen <strong>der</strong> Grundlagen <strong>der</strong> Telegrafie, als<br />
auch zum Trainieren hoher Geschwindigkeiten. (In den zeitgenössischen Anzeigen<br />
wurde oft behauptet, daß man damit nach nur einem Monat intensiven<br />
Übens die Telegrafie erlernen könne.) Über viele Jahre benutzten die Regierungsbehörden<br />
Omnigraph-Maschinen für die Funker-Prüfungen, zumindest bis<br />
1930, als ich die Prüfung ablegte.<br />
Eine Werbeanzeige <strong>der</strong> Omnigraph Manufacturing Company, New York City,<br />
aus dem Jahr 1922 lautete: ” Lernen Sie das Telegrafieren (Morse- o<strong>der</strong> Funk-<br />
Telegrafie) im Selbststudium in <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> üblichen Zeit. . . Hören Sie einfach<br />
nur zu – <strong>der</strong> Omnigraph wird die Funktion Ihres Lehrers übernehmen. Sie<br />
werden überrascht sein, wie schnell sie eine ordentliche Arbeitsgeschwindigkeit<br />
erreichen. Sogar, wenn Sie bereits Telegrafist sind, wird Ihnen <strong>der</strong> Omnigraph<br />
gute <strong>Die</strong>nste leisten. Er wird Sie schneller machen, Ihre Gebeweise akkurater machen<br />
und Ihnen mehr Selbstvertrauen geben. . .“ <strong>Die</strong> Electro Importing Company,<br />
New York, verkaufte 1918 eine 5-Scheiben-Maschine für 16 Dollar, während<br />
das 15-Scheiben-Modell 23 Dollar kostete. Zusätzliche Code-Scheiben waren für<br />
einen Dollar pro Stück erhältlich. 1902 brachte das Verlagshaus Fre<strong>der</strong>ick J. Drake<br />
& Co. in Chicago Thomas A. Edisons Buch ” Selbststudium <strong>der</strong> Telegrafie“<br />
heraus. Das Buch basierte auf Edison’s Feststellung, daß ” es nicht die Geschwindigkeit<br />
des Zeichens an sich ist, die den Schüler verwirrt, son<strong>der</strong>n die schnelle<br />
Aufeinan<strong>der</strong>folge <strong>der</strong> Zeichen.“ (<strong>Die</strong>s entspricht dem Grundgedanken nach <strong>der</strong><br />
heute geläufigen sogenannten Farnsworth-Methode.) Das Buch wurde zusammen<br />
mit einem kleinen mit einer Handkurbel angetriebenen Band-Abspielgerät<br />
geliefert und mit einem Satz von Code-Streifen, in die die Zeichen eingestanzt<br />
waren. <strong>Die</strong> Bän<strong>der</strong> waren so aufgebaut, daß die Abstände zwischen den Zeichen<br />
anfangs sehr lang waren, und mit zunehmendem Lern-Fortschritt stückweise bis<br />
auf die normalen Abstände verkürzt wurden. Das Ziel war, mit diesem Lehrmaterial<br />
eine praktische Arbeitsgeschwindigkeit von 25 WpM zu erlangen. <strong>Die</strong><br />
tatsächliche Geschwindigkeit hing natürlich davon ab, wie schnell <strong>der</strong> Schüler<br />
die Kurbel <strong>der</strong> Maschine drehte.<br />
Der erste Lehrgang zum Selbststudium <strong>der</strong> internationalen Telegrafie, <strong>der</strong><br />
ausschließlich auf dem Erlernen von Klangbil<strong>der</strong>n basierte, war anscheinend<br />
<strong>der</strong> 1917 herausgegebene Marconi-Victor Kurs, <strong>der</strong> aus sechs doppelseitigen 78-<br />
RPM-Phonographen-Scheiben bestand 1 . Er bestand aus 12 Lektionen von einem<br />
1 [<strong>Die</strong>se Bezeichnung bezieht sich auf die Abspielgeschwindigkeit in Umdrehungen pro Mi-<br />
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