Die Kunst der Radiotelegrafie
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erleichtern mit dem Ergebnis, daß <strong>der</strong> Funker nunmehr richtig kommunizieren<br />
kann, anstatt Monologe zu halten. Das menschliche Gehirn ist zum Empfang<br />
des Morsecodes offenbar besser geeignet, als je<strong>der</strong> Computer, und die Freude an<br />
dieser Kommunikationsform kommt erst richtig auf, wenn man akkurates CW<br />
von einem guten Telegrafisten hört. Welches Sendegerät benutzt wird, ist dabei<br />
letztlich egal. Wichtig ist, exakte Zeichen zu senden. Es ist das Gehirn, welches<br />
die Morsezeichen aufnimmt und es ist <strong>der</strong> Kopf, <strong>der</strong> dabei Vergnügen empfindet.<br />
Wir blicken zurück und nach vorn<br />
Es gibt beim Lernen vier Phasen:<br />
• Versuchen, die Buchstaben zu identifizieren,<br />
• ganze Worte zu hören,<br />
• mehrere Worte auf einmal, als Redewendung o<strong>der</strong> kurzen Satz in einem<br />
Stück aufzufassen, und schließlich<br />
• <strong>der</strong> echte Experte, <strong>der</strong> die Einzelheiten des Morsecodes so weit verinnerlicht<br />
hat, daß er ihnen praktisch gar keine Aufmerksamkeit mehr schenkt<br />
und sich nur noch des Inhaltes <strong>der</strong> Nachricht bewußt ist.<br />
Denken Sie daran: bereits im frühesten Anfangsstadium lernen wir, die Buchstaben<br />
als Klang-Einheiten zu hören, und nicht die Dits und Dahs an sich.<br />
Anschließend bewegen wir uns weiter zum Erkennen von häufig gebrauchten<br />
Worten und Wortteilen als Ganzes, anstatt als Kette von aufeinan<strong>der</strong>folgenden<br />
Buchstaben. An diesem Punkt sind wir uns <strong>der</strong> Anwesenheit <strong>der</strong> Dits und<br />
Dahs noch ziemlich bewußt, und das gibt uns ein Gefühl <strong>der</strong> Sicherheit, weil es<br />
bestätigt, daß das Fundament, auf dem wir uns bewegen, an seinem Platz ist<br />
(sozusagen unser Sicherheitsnetz). Bis dahin fühlen wir uns ganz sicher.<br />
Der dritte Schritt kommt, wenn wir an einem Punkt anlangen, bei dem die<br />
einzelnen Dit- und Dah-Komponenten nicht mehr erkennbar sind – sie scheinen<br />
in einem Summen unterzugehen. (Wir sollten uns aber an diesem Punkt <strong>der</strong><br />
Anwesenheit <strong>der</strong> Buchstaben schon noch bewußt sein.) Anfangs mögen wir uns<br />
etwas hilflos fühlen, so, als ob <strong>der</strong> Boden, auf dem man steht, irgendwie nachgibt.<br />
Das Unterbewußtsein aber, das zuvor durch die richtige Art von Übungen<br />
trainiert wurde (und das die ganze Zeit aktiv war, auch wenn wir es nicht so<br />
empfunden hatten) scheint in <strong>der</strong> Lage zu sein, die Einzelkomponenten auseinan<strong>der</strong>zuhalten<br />
und ohne Probleme die Zeichen zu identifizieren. Was wir jetzt<br />
lernen müssen, ist, dieser Fähigkeit unseres Gehirns zu vertrauen, auch wenn<br />
wir nicht wissen, wie sie funktioniert.<br />
Daß sich ” bewußte Bemühung verhängnisvoll auf das Tempo auswirkt“, ist<br />
eine häufige Beobachtung bei allen möglichen Fertigkeiten. ” In dem Moment,<br />
wo man anfängt, darüber nachzudenken, anstatt sich auf den ’Instinkt’ zu verlassen,<br />
wird man in diesen beson<strong>der</strong>en Fähigkeiten versagen.“ Wenn man einem<br />
völlig ungeübten Anfänger einen CW-Text mit 20 WpM vorgespielt, wird seine<br />
Reaktion wahrscheinlich sein: ” Ich werde niemals in <strong>der</strong> Lage sein, das zu verstehen<br />
o<strong>der</strong> mitzuschreiben.“ Aber bereits nach wenigen Wochen Training wird er<br />
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