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Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED- Diktatur

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7. Strafrechtliche <strong>Aufarbeitung</strong><br />

Die strafrechtliche <strong>Aufarbeitung</strong>, d.h. die Bestrafung <strong>der</strong> Verantwortlichen, stellt<br />

neben <strong>der</strong> Rehabilitierung und Entschädigung <strong>der</strong> <strong>SED</strong>-Opfer und neben dem<br />

Themenfeld „Restitutionen und offene Vermögensfragen“ die dritte Komponente <strong>der</strong><br />

rechtlichen <strong>Aufarbeitung</strong> <strong>der</strong> <strong>SED</strong>-<strong>Diktatur</strong> dar. Für die strafrechtliche Bewältigung<br />

des <strong>SED</strong>-Unrechts, <strong>der</strong> sogenannten Regierungskriminalität, sind in erster Linie die<br />

Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> zuständig. Sie stehen dabei<br />

vor <strong>der</strong> schwierigen Aufgabe, ein in 40 Jahren entstandenes staatliches Unrecht mit<br />

den Mitteln des Rechts aufzuarbeiten. Schwierigkeiten ergeben sich insbeson<strong>der</strong>e<br />

daraus, dass das Strafrecht <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland auf die Bewältigung<br />

staatlichen Unrechts in <strong>der</strong> DDR nicht zugeschnitten war und ist: Im Rechtsstaat<br />

sanktioniert das Strafrecht individuelle Verstöße des Einzelnen gegen die<br />

Rechtsordnung, während sich die Verantwortung für staatliches Unrecht in <strong>der</strong> DDR<br />

häufig auf viele behördliche Stufen erstreckt. Nachträglich ein neues „passendes“<br />

Strafrecht für die Regierungskriminalität zu schaffen, hätte gegen die engen<br />

verfassungsrechtlichen Grenzen, denen das Strafrecht unterliegt, verstoßen. Denn<br />

nach Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes darf sich das Strafrecht keine<br />

rückwirkende Geltung beimessen und nur das ahnden, was bereits bei Tatbegehung<br />

durch das Gesetz mit Strafe bedroht ist. Dieses Justizgrundrecht ist unter an<strong>der</strong>em<br />

Ausprägung verschiedener, durch die Ewigkeitsgarantie des Artikels 79 Absatz 3 des<br />

Grundgesetzes beson<strong>der</strong>s geschützter Garantien (Menschenwürde,<br />

Rechtsstaatlichkeit) und Einschränkungen daher nur bedingt zugänglich. Gleichwohl<br />

steht das Strafrecht den Taten <strong>der</strong> Verantwortlichen eines Unrechtsstaates<br />

keineswegs hilflos gegenüber. Es sind nur realistisch die Grenzen zu sehen, die<br />

einer rechtsstaatlichen Justiz bei <strong>der</strong> Bewältigung ihrer Aufgaben gesteckt sind.<br />

Das Strafrecht konnte nach diesen rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht das System<br />

als Ganzes aburteilen, son<strong>der</strong>n musste die Zusammenhänge aufklären, in denen<br />

einzelne Menschen innerhalb des Systems für gravierendes Unrecht individuell<br />

verantwortlich waren. Die Justiz hat sich dabei vorrangig auf schwere<br />

Menschrechtsverletzungen insbeson<strong>der</strong>e an <strong>der</strong> innerdeutschen Grenze konzentriert.<br />

Die Strafverfahren haben die Individualität von Tätern und Opfern öffentlich<br />

wahrnehmbar gemacht. Die Schuldigen sind benannt und bis auf wenige Ausnahmen<br />

nach dem Maßstab ihrer individuellen Schuld bestraft worden, ganz gleich an<br />

welcher Stelle <strong>der</strong> Hierarchie sie gestanden haben. Die Strafverfahren haben<br />

außerdem deutlich gemacht, dass für begangenes Unrecht nicht abstrakte Systeme<br />

und Apparate, son<strong>der</strong>n Menschen verantwortlich waren und dass es auch für die<br />

Mächtigen keinen straffreien Raum gibt.<br />

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