Zweijahresbericht 2004/2005 - Bibliothek - GFZ
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Die Ultraschall-Interferometrie erfordert eine genaue<br />
Messung der Probenlänge unter In-Situ-Bedingungen,<br />
weil das Interferenz-Muster nicht nur von der Wellengeschwindigkeit<br />
in der Probe, sondern auch von der<br />
Probenlänge abhängt. Ein die brillante Synchrotron-<br />
Strahlung nutzendes Röntgen-Bild-Verfahren, genannt<br />
X-Radiographie, erzeugt, ähnlich wie bei der medizinischen<br />
Röntgendiagnostik, schwarz/weiße Halbtonbilder<br />
der Probe unter In-Situ-Bedingungen durch Umwandlung<br />
eines Röntgenbildes in ein sichtbares optisches Bild mit<br />
Hilfe der Fluoreszenz eines Ce-YAG-Kristalls. Dieses Bild<br />
wird durch einen Spiegel aus der Richtung des Röntgenstrahls<br />
abgelenkt und von einer CCD-Kamera aufgenommen.<br />
Auch dieses Verfahren benötigt nur einige Sekunden.<br />
Um quantitative Informationen aus dem Röntgenbild zu<br />
erlangen, wird es mit Hilfe digitaler Bildbearbeitung ausgewertet.<br />
Weil die X-Radiographie einen viel größeren<br />
Strahldurchmesser als die Röntgenbeugung erfordert,<br />
wurde die ursprünglich feste Primärblende der MAX80<br />
gegen eine 4-Blatt-Präzisions-Blende ausgetauscht.<br />
Eine Auswahl der neuesten Ergebnisse zum nicht quenchbaren<br />
Hoch-P/Niedrig-P-Klinoenstatit-Phasenübergang,<br />
zum Quarz-Coesit-Phasenübergang, zur standard-freien<br />
Druckmessung und zu innovativen Druck-Erzeugungs-<br />
Methoden werden vorgestellt, um das gegenwärtige und<br />
zukünftige Potential der Hochdruck-Geomaterial-Forschung<br />
mit Synchrotronstrahlung am DESY, Hamburg zu<br />
demonstrieren.<br />
Einleitung<br />
1864 beschrieb Jules Verne in seinem weltberühmten<br />
Roman „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ phantasievoll<br />
eine Reise ins Innere unseres Heimatplaneten. Sie<br />
beginnt mit einem Einstieg in den Krater des isländischen<br />
Vulkans Snaefellsjökull. Nachdem die Reisenden unterirdische<br />
Flüsse und Meere befahren hatten, gelangten sie<br />
unfreiwillig durch eine Sprengung in den Schlot des gerade<br />
ausbrechenden Vulkans auf der Insel Stromboli. So<br />
kehrten sie, weit vom Einstiegsort auf Island entfernt, zur<br />
Oberfläche zurück. Kürzlich war in den Medien eine mehr<br />
technologische Variante einer solchen Reise zu sehen.<br />
Wahrscheinlich vom Bathyscaph Trieste inspiriert, der<br />
1960 mit einer zweiköpfigen Besatzung im Marianengraben<br />
die Rekordtiefe von 10.740 m erreicht hatte, sollte<br />
eine massive Kapsel die Insassen vor Druck und Temperatur<br />
im Erdinneren schützen. Um das Eindringen zu<br />
ermöglichen, sollte das Material um die Kapsel mit Hilfe<br />
starker Laser geschmolzen werden. Beide Varianten sind<br />
anregend, technisch und wissenschaftlich so jedoch nicht<br />
möglich. Dennoch enthalten beide einen Kern von Wahrheit.<br />
Wie wir heute ziemlich sicher wissen, ist Wasser im<br />
Erdmantel in weit größerer Menge als in den Weltmeeren<br />
vorhanden. Aus der seismischen Tomographie und der<br />
Geochemie wissen wir von Transportvorgängen riesigen<br />
Ausmaßes mittels Subduktion zu großen Tiefen bis an die<br />
Kern-Mantel-Grenze, also bis zu 3000 km Tiefe, und entsprechendem<br />
Rücktransport zur Oberfläche, z. B. in Plumes.<br />
Der Mantel ist in seinem Aufbau und in seiner Mineralogie<br />
also keineswegs einfach und homogen, wie lange<br />
angenommen worden war. Es gibt erhebliche stoffliche,<br />
strukturelle und energetische Wechselwirkungen mit der<br />
Kruste und an der Kern-Mantel-Grenze. Die Plattentektonik<br />
ist das Ergebnis dynamischer Prozesse im Erdinneren.<br />
Ohne Verständnis der Dynamik des Mantels, d. h. der<br />
treibenden Kräfte hinter der beobachteten Kinematik,<br />
bleibt Krusten-Forschung zu Teilen nur empirisch und<br />
deskriptiv. Auch in naher Zukunft verfügbaren Tiefendaten<br />
planetarer Nachbarn sind eine weitere Chance und<br />
Herausforderung für die geowissenschaftliche Materialforschung<br />
bei extremen Drücken und Temperaturen. Die<br />
Erforschung des „Systems Erde“ ist undenkbar ohne die<br />
wissenschaftliche Erkundung des Erd-Mantels in seiner<br />
vollen Ausdehnung bis hin zur Kern-Mantel-Grenze.<br />
Welchen Zugang haben wir nun wirklich zum Erdinneren?<br />
Der direkte Zugang mittels Tiefbohrungen endet in<br />
ca. 15 km Tiefe. Diese Grenze ergibt sich in erster Linie<br />
aus der Temperaturzunahme. Die Spülungszirkulation, die<br />
nicht nur die Kühlung sondern auch insbesondere den<br />
Antrieb der Downhole-Motoren bewirkt, stößt an technologische<br />
Grenzen. Wegen zunehmender Torsion des Bohrstranges<br />
ist der Antrieb der Bohrwerkzeuge von der Oberfläche<br />
her nur für geringere Teufen einsetzbar. Die Natur<br />
hilft uns um den Preis einer gewissen Mehrdeutigkeit noch<br />
ein Stück weiter. Natürliche Exhumierung vordem subduzierter<br />
Gesteine ist bis etwa 30 bis 40 km Tiefe nachgewiesen<br />
worden. Neuerdings fand man mikrodiamanthaltige<br />
Gesteine aus wahrscheinlich sogar etwa 200 km<br />
Tiefe. In den zur Gewinnung von Natur-Diamanten abgebauten<br />
Kimberlit-Pipes wurden die Diamanten vermutlich<br />
in wenigen Stunden aus 150 bis 300 km Tiefe mittels Eruption<br />
an die Oberfläche gebracht. Nach Stand des Wissens<br />
gibt es keine kristallinen Proben aus größerer Tiefe. All<br />
unser „tieferreichendes“ Wissen gründet sich weitgehend<br />
auf indirekte Beobachtungen, v.a. seismische Daten, d. h.<br />
Messungen der Ausbreitungsgeschwindigkeit, Beugung<br />
und Reflexion von elastischen Wellen, die, ausgelöst von<br />
Erdbeben weltweit, den gesamten Erdkörper durchwandern.<br />
Das Ergebnis ist aber konkret nur die Verteilung der<br />
elastischen Eigenschaften in der Erde. Eine direkte strukturell-stoffliche<br />
Aussage ist nicht möglich. Dazu kann man<br />
nur durch die Kombination von experimenteller Simulation<br />
der Bedingungen in großer Tiefe und interdisziplinäre<br />
irdischer und planetarer Beobachtungen kommen. Deshalb<br />
ist es von erstrangiger Bedeutung, unter den experimentell<br />
simulierten In-Situ-Bedingungen (In-Situ bedeutet<br />
am Ursprungsort, d. h. Untersuchungen bei Bedingungen,<br />
die denen der Natur entsprechen) gleichzeitig die<br />
elastischen Eigenschaften und die Strukturdaten zu messen,<br />
um über den Vergleich mit den seismischen Daten aus<br />
großer Tiefe zu einer stofflich-strukturellen Aussage zu<br />
kommen.<br />
Anders als bei der klassischen Quench-Methode, d. h. der<br />
strukturellen Untersuchung von Hochdruck-Proben nach<br />
dem Versuch, außerhalb ihres eigentlichen Stabilitätsbereiches<br />
unter Nutzung der Metastabilität, arbeitet die<br />
moderne Mineralphysik in Echtzeit und unter In-Situ-<br />
Bedingungen. Ultraschall-Interferometrie erlaubt die Messung<br />
der elastischen Eigenschaften von kleinen Proben<br />
<strong>Zweijahresbericht</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong> GeoForschungsZentrum Potsdam